Ich habe einen ganz netten Artikel im Handelsblatt entdeckt...


Die Sims sind das, was Second Life nie werden wird
Mit 100 Millionen verkauften Exemplaren ist die PC-Lebenssimulation "Die Sims" nicht nur das erfolgreichste PC-Spiel aller Zeiten. Es zeigt auch, warum es mit Second Life schon wieder bergab geht.
Ein erfülltes Leben kann sehr traurig enden. In der Mitte eines Swimmingpools mit einem hohen, glatten Rand zum Beispiel. Man muss nur die Leiter entfernen. Eine Weile hilft noch schwimmen. Aber dann besorgt die Erschöpfung den Rest. Szenen aus dem wahren Digital-Leben des erfolgreichsten PC-Spiels aller Zeiten. „Die Sims“. Eine Lebenssimulation, eine komplette digitale Nachbarschaft auf der Festplatte. Sie gibt dem Spieler Macht über das Leben einer Familie und ihr Schicksal. Er gibt ihnen Wünsche und Ängste, baut Häuser und ebnet ihnen Karrieren _ oder auch nicht. Die Sims haben PC-Gesichte geschrieben - und ihre Schöpfer reich gemacht: Gerade ging das 100millionste Exemplar des zwischen 20 und 50 Dollar teuren Spiels über die Ladentheke. Alleine im abgelaufenen Finanzjahr 2007 hat Spieleverleger Electronic Arts rund 500 Millionen Dollar mit Sims-Produkten umgesetzt, bestätigt Nancy Smith, Herrin über die Sims beim kalifornischen Spielegiganten Electronic Arts, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Das ist fast ein Achtel des Konzernumsatzes und „ein absoluter Rekord“ im Jahre Acht der Sims-chen Zeitrechnung. Nur eine einzige Spielefranchise auf der Welt ist in verkauften Stückzahlen noch erfolgreicher: Nintendos Wunder-Klemptner „Mario“.
„Die Sims“ sind schon da, wo Online-Welten wie „Second Life“ irgendwann gerne einmal hin möchten. Sie sind die Reinkarnation des Tamagotchi in Menschengestalt mit einer treuen Anhängerschaft in Millionenhöhe. Die Welt der Sims hat Künstler zu Öl-Bildern inspiriert. Es gibt tausende Videos über ihr Leben auf Youtube. Sie tanzen in aufwändig inszenierten Musikvideos wie Remakes der Micheal Jackson-Hits „Thriller“ oder „Billie Jean“. Bei H&M kommt eine eigene Mode-Kollektion heraus, erschaffen von Sims-Designern.
Die Entdeckung des „Poolleiter-Mordes“ 2001 löste heftigste Diskussionen im Web aus, ob es moralisch verwerflich sei, einen Sim, den man geboren und großgezogen hat, umzubringen. Der extrem materialistische Spielaufbau (je reicher ein Sim ist, desto größer sein Haus, um so mehr Freunde hat er), rief harsche Kritik hervor. Die heftigen Reaktionen überraschten die Fachwelt. Die Spieler begannen, gleichzeitig einen kritischen Blick auf ihrer Spielewelt und auf die reale zu werfen, um zu vergleichen und zu werten. Die Verschmelzung begann.
Die wohl überraschendste Entwicklung hat das Tagebuch genommen. Ursprünglich dazu gedacht, einfach ein paar Screenshots zu ermöglichen, die man Online mit anderen Spielern teilen konnte, entwickelte es sich ungeplant zu einer Art Mini-Hollywood, die Traumfabrik des kleinen Mannes. Aus dem Tagebuch wurde ein Story-Board, die Sims zu Helden ihrer eigenen Fortsetzungsromane. Die Webseite www.sims2.com hat heute über 4 Millionen Unique User jeden Monat und alleine in Deutschland gibt es 670 000 registrierte Nutzer.
Aber vielleicht zeigen „Die Sims“auch schon die Grenzen der virtuellen Welten auf. Ein Versuch, das Spiel vom PC auf das Internet zu übertragen, scheiterte kläglich. „Sims online“ als Online-Lebenssimulation war ein völliger Misserfolg.
Während virtuelle Traumwelten wie „World of Warcraft“, mit Monstern und Zauberern, eine eigene Anziehungskraft entwicklen, zeigen virtuelle Welten mit echten Charaktären wie „Second Life“ nach anfänglichen Erfolgen deutliche Ermüdungserscheinungen. Die Diskotheken sind leer, erste Unternehmen reißen ihre teuer errichteten Filialen in der Parallelwelt wieder ein – mangelndes Interesse.
Familienleben und Kinder großziehen scheint halt doch irgendwie immer noch Privatsache zu sein. Im echten Leben und auf der Festplatte. Und man ist füreinander da, bleibt sich treu. Und nicht nur ein paar langweile Flirts lang mit "Bekannten" an einem Digital-Strand im Cyberspace. Das aktuelle Expansion-Pack „Freetime“ war das bislang erfolgreichste überhaupt, sagt Sims-Übermutter Nancy Smith. Mit dem Pack können die Sims töpfern, Basketball spielen oder Ballettkurse belegen. „Wir wissen, dass viele unserer Spieler – zur Hälfte Frauen – selber über zu wenig Freizeit neben dem Job klagen. Trotzdem wollen sie, dass es ihre Sims besser haben.“ Familie ist eben Familie. Und Second Life ist .... eben keine Familie.
