Da ich ja auch (halbwegs) vom Fach bin, einige Anmerkungen von mir:
Wichtig ist zunächst die Bewertung der Gesamtlage nach den Kriterien
- Wer nutzt das jeweilige Verkehrssystem?
- Wann nutzen besonders viele dieses System?
- zu welchem Zweck nutzen sie es?
Das ist natürlich Grundwissen für Planer, aber in der Realität werden genau diese Fragen zu selten gestellt bzw. niemand interessiert sich für die Antworten und "vollzieht" einfach. Ein häufiges Problem - zumindest in Deutschland - ist die Abwesenheit von Fachpersonal in Planungsbehorden. Insbesonder in niederen Instanzen (Landkreis, Gemeinde) wird Planung von Verwaltungsbeamten, aber nicht von ausgebildeten Akademikern wie Stadt-, Raumplanern bzw. Geographen

ausgeführt. Die Folge ist eine rein theoretische vollziehung eines Verwaltungsaktes nach Gutdünken des Planers und seiner politischen Freunde, die den Akt verabschieden. Was dabei in der Praxis herauskommt lässt mir jedesmal neue graue Haare wachsen... Wenn ich denke, dass ich drei Jahre lang arbeitslos war und jedem dieser Stümper hätte sagen können, was sie falsch gemacht haben und wie man es richtig machen könnte...
Fakt ist also: Planung muss nicht nur nach irgendwelchen Vorschriften, Gesetzen verlaufen, sondern ebne die Menschen anhören, die "beplant" werden. Manche Dinge lassen sich schon durch etwas Verstand lösen.
Beispiel Salzburg, weil es gerade in meiner Nähe ist: Diese Stadt ist verkehrsplanerisch eine reine Katastrophe, zumindest wenn man von Deutschland (Freilassing) reinfährt. Selbst zu Uhrzeiten, wo wenig Verkehr ist, staut man sich über Kilometer. Gut, auf der Straße fährt der O-Bus (der dann auch im Stau steht). Man könnte also sagen, fahrt damit statt mit dem Auto. Aber der O-Bus fährt eben nur in Salzburg, nicht nach Freilassing rüber. Also ist er für die Deutschen, die in die Stadt zum Arbeiten oder einkaufen fahren, einfach nur ein weiteres Hindernis auf der Straße. Es gibt keinen P+R-Parkplatz und auch keinen Bahnhaltepunkt als Alternative. Dazu wechselt die Straße ständig von zwei auf eine Spur und wieder zurück, plötzlich ist die linke Spur nur noch für Abbieger, rote Welle ist selbstverständlich auch gegeben.
Fazit: Hier müsste mit einer völlig neuen Planung angesetzt weren: ÖPNV dahin, wo Bedarf danach besteht. Wo keine Alternative ohne übergroßen Aufwand bereitgestellt werden kann, muss dafür gesorgt werden, dass Autos freier fahren können. das impliziert u.a. intelligente Ampelschaltungen (grüne Welle morgens stadteinwärts bzw. zu den Hauptarbeitsplätzen, Abends stadtauswärts), dynamische Spuranzeigen, um nur einige zu nennen.
Die Folge wären eben weniger Stau, weniger Luftbelastung und weniger Stress bei den Autofahrern, die dann produktiver arbeiten können bzw. gesünder leben. Stress wirkt sich ja bekanntlich negativ aufs Herz aus.
Aber das ist eben genau die Art Planung, die man nicht vom Tisch aus machen kann, da muss man raus fahren in die Stadt, am besten mit verschiedenen Verkehrsmitteln zu verschiedenen Uhrzeiten. Man muss die Leute befragen, warum und wann sie wohin fahren und was man tun müsste, damit sie auf den ÖPNV oder das Fahrrad oder eine Kombination aus beiden umsteigen würden.
Und was auch ganz wichtig ist: Die Stadt darf nie ohne Berücksichtigung des Umlandes planen, denn von dort kommt erfahrungsgemäß der meiste Verkehr, besonders der Individualverkehr. Aber das wird viel zu oft vergessen, bzw. das Bewußtsein für grenzübergreifende Planung steckt vielerorts noch in den Kinderschuhen, z.T. wegen des veralteten Planungsrechts, das hier gewisse Hürden in den Weg legt (zumindest in Deutschland).
Und es sollte auch in ländlichen Gegenden, im weiteren Umkreis von Ballungszentren, Verkehrsverbünde geben, die idealerweise mit demjenigen des Ballungszentrums verbunden sind - sowohl im Fahrtakt als auch in der Preisstruktur. Man ahnt gar nicht, wieviele Leute täglich über 100 km
einfache Strecke zur Arbeit fahren müssen! Natürlich tun sie es mit dem Auto, oft über gefährliche Landstraßen. Sie kommen gestresst in der Stadt an, wo der nächste Stau wartet. Das ist eine enorme Belastung, die planerisch beseitigt werden muss. Denn die Leute werden nicht näher an die Stadt ziehen, die haben ihr Wohneigentum und nehmen lieber die Fahrten in Kauf.
Und hier beginnt der nächste Schritt: Förderung des Ausbaus von Telearbeitsplätzen, wo es geht. Ich arbeite seit nun über drei Jahren von daheim (bin zwar selbstständig, aber mein Hauptkunde ist meine alte Firma) und es ist wirklich sehr angenehm. Ich bin davon überzeugt, dass fast alle Büroarbeitsplätze zumindest zeitweise in die Wohnungen der Arbeitnehmer verlagert werden könnten. Das wäre aber für die Immobilienspekulanten der Städte Gift...