Kapitel 9 - Alle Klarheiten beseitigt?
"Was schauen Sie mich so an?" Sie sah Manuel missbilligend an und man sah ihr an, dass ihr die ganze Situation nicht so recht war. Doch was sollte Manuel machen? Sie war es. Sie war es einfach. Sie sah aus wie die Frau aus dem Tagebuch. Die Haare waren anders und sie war anders geschminkt und hatte Ohrringe an, aber das Gesicht! Die Augen. Doch, wie konnte das sein? Sie konnte doch unmöglich noch immer so jung sein... Sollte er es ihr sagen? Aber sie würde ihn für verrückt erklären.
"Was ist denn nun?" Sie sah ungeduldig aus... "Pardon, Sie sehen nur jemandem sehr ähnlich."
Manuel war verwirrt, sie hatte ein so wunderschönes Gesicht, ihre Lippen waren makelos, ihre Augen, ihre Augen! Er konnte es einfach nicht fassen, dass er diese schöne Unbekannte leibhaftig vor sich hatte. Und nun war er aus der Bahn geworfen. Er konnte sich nicht erklären, wie es ein Ebenbild von dieser Frau geben konnte.
"Sie sehen noch schöner aus, als die Frau mit der ich Sie verwechselt habe!"
Das Mädchen sah ihn an und er erkannte, dass sie absolut kein Kompliment haben wollte. "Danke, darf ich nun Ihr Zimmer machen?"
"Nein, lassen Sie es, es ist doch alles ok! Aber könnten wir so gegen 11 einen Spaziergang durch den Garten machen?"
Sie lächelte ihn an und sagte: "Sie sind frech, aber nett. Natürlich. Kommen Sie zur großen Glastür." Und mit diesen Worten drehte sie sich um und ging.
"Wie war ihr Name?" "Charlotte."
Manuel wartete schon draußen, als sie herauskam. Sie hatte sich wunderschön angezogen und ihm stockte der Atem.
"Was schauen Sie mich schon wieder so an?", grinste sie ihn fragend an. "Ach, nichts."
"Wie war eigentlich Ihr Name?"
"Manuel und bitte, sagen Sie doch endlich Du zu mir!"
"Nun gut, Manuel. Was hat dich zu unserer Bruchbude geführt?"
"Mm.. Ein, äh, Buch.. Ein Reiseführer..."
Charlotte lachte herzhaft auf und sah ihn mit einem Blick an, der verriet, dass sie ihm kein Wort glaubte, doch sie ging nicht weiter darauf ein.
"Und euer Hotel ist ein Familienhotel?"
"So kann mans nennen, ich werde gebraucht für die Gartenarbeit und die Zimmerpflege. Mein Großvater verwaltet alles und ist für das Gehalt zuständig. Meine große Schwester kocht und die Frau meines Großvaters.. Na ja, die sitzt dekorativ herum!" Manuel suchte nach einem wehmütigen Blick in ihrem Gesicht, doch scheinbar machte ihr ihre Situation nichts aus.
Sie gingen um das Haus herum und Charlotte erklärte ihm, was sie noch alles mit dem Garten vorhatte, und dass sie an Weihnachten die Bäume auch draußen schmücken wollte. Anscheinend verstand sie etwas von ihrem Handwerk, denn ihre ausführlichen Schilderungen brachten in Manuels Herz ein Gefühl, dass man nur an Weihnachten spürte. "Charlotte, darf ich dich mal etwas fragen?"
"Natürlich Manuel, du fragst doch schon die ganze Zeit!"
"Ja, du hast Recht, entschuldige... Aber, wo sind deine Eltern?"
"Meine Eltern leben nicht mehr, sie starben vor 8 Jahren bei einem Autounfall, dabei starb auch meine Großmutter... Seitdem lebten meine Schwester und ich bei Großvater und er fand vor 3 Jahren eine neue Frau." Wieder war keinerlei Trauer in ihrer Stimme zu hören. "Das war sicher schrecklich für dich!" "Ja, das war es.. Aber so ist das Leben, Manuel."
Natürlich war das Leben so, aber man hakte doch nicht den Tod seiner Eltern und Großmutter ab, wie ein missglücktes Vorstellungsgespräch oder Dinge dergleichen.
"Das Beet habe ich gepflanzt. Gefällt es dir denn?"
"Ja, sehr schön!"
In Wahrheit fand er es furchtbar, viel zu viel rot und viel zu viele Rosen.. Da war nichts abgestimmtes, aber konnte er ihr das einfach so sagen?
"Manuel, es ist schön mal wieder mit jemandem zu reden!" Manuel zog eine Augenbraue hoch, dieses Mädchen war absolut seltsam und überhaupt nicht so, wie er sich seine Unbekannte vorgestellt hatte.
"Wieso, kommen hier nicht oft Leute vorbei?"
"Nein, das Haus steht seit... Na ja, längerer Zeit unter Renovierungsarbeiten und überhaupt findet nie jemand den Weg zu... äh... uns."
"Und wieso das?"
"Die Leute finden uns seltsam, aber mir soll das egal sein." Sie drehte sich im gehen zu ihm um und lachte ihn an... Ja, langsam begann auch er sie seltsam zu finden.
"Und was hörst du so für Musik, Charlotte?"
"Oh.. Meine Liebsten sind Mozart und Beethoven. Das sind tolle Komponisten!"
Oh Gott, konnte er jetzt mit den Ärzten, Apocalyptica, Foo Fighters und Nightwish ankommen? Okay, Nightwish war auch... Klassik... Im weitesten Sinne!
"Ich mag.. solche Sachen auch sehr gerne!" Ihr Lächeln verschwand und sie sah ihn starr an. "Du belügst mich!"
Irgendwie bekam er in der Nähe dieser Frau Angst... Aber wieso sollte er vor diesem zierlichen Mädchen Angst haben?
"Manuel, wenn ich eins nicht leiden kann, ist es, wenn man mich belügt!"
"Ist ja gut Charlotte. "Sie knirschte neben ihm mit den Zähnen und er vermutete, dass sie in den nächsten 5 Sekunden aufspringen würde und ihm die Augen auskratzen würde. Doch nichts dergleichen geschah, ihr Lächeln kam wieder und sie sprach ihn an:"Manuel, was ich mich wirklich frage ist, wie du auf unser Haus aufmerksam geworden bist!"
"Nun ja.. Du würdest mich für verrückt erklären!"
Plötzlich schien alles in Zeitlupe zu vergehen, ihr Blick verdüsterte sich ein weiteres Mal und ein kalter Lufthauch hauchte um Manuel herum... Zufall. Alles nur Zufall, aber hier war nichts wie es sein sollte!
"Manuel, man hält mich und meine Familie für verrückt, wieso sollte ich dich für verrückt erklären?"
Sie hatte recht, sie war absolut verrückt und nicht er... Auf einmal realisierte er, dass er seine Finger in die eigenen Oberschenkel bohrte, so dass die Knöchel schon ganz weiß wurden, er lies locker und spürte wie das Blut wieder normal zu fließen begann.
"Meine Oma ist vor kurzem gestorben, ich habe herausgefunden, dass sie hier mal eine Zeit gelebt hat und... Ich wollte sehen, wo sie so gelebt hat."
"Deine Großmutter? Ja... Nett... Tut mir leid, hier lebten so viele Leute, wie sah sie denn aus?"
"Man kann sie nicht beschreiben, Charlotte. Ich zeige dir heute Abend ein Foto von ihr, ja?"
"Gut."
Da hörten sie Schritte hinter sich und Charlottes Großvater kam um die Ecke gebogen.
"Charlotte, du hast es dir nicht verdient hier dumm zu plaudern, schau dir diesen Mist hier an! Die Blumen sind schrecklich und sonst ist auch noch nichts getan. Ich bezahl dich doch nicht fürs nichts tun und fürs rumalbern mit einem unserer Gäste!"
Ihr Großvater war stinksauer und wedelte wie wild mit den Armen herum, Manuel konnte aber dennoch keinerlei zurückzucken von Charlottes Seite erkennen. Dann spukte der Großvater auf das Bett und Charlotte begann ihn auszulachen und rannte dann ins Haus zurück. Manuel blickte ihr hinterher und sie drehte sich noch einmal herum: "Bis heute Abend!" Was für eine seltsame Familie!
Es war schon spät geworden und Manuel hatte Charlotte den ganzen Tag nur im Garten arbeiten sehen. Manuel sprach mit der "Hausherrin", die deutlich jünger war, als er erwartet hatte.
Sie hatte eine Wahnsinnsfigur, aber sie total dämlich aus, und als sie den Mund aufmachte, fragte sich Manuel ob der Spruch "Dumm ##### gut" tatsächlich stimme! Denn sonst konnte er sich nicht vorstellen, warum der alte Herr mit ihr zusammen glücklich war.
"Ich habe mit 22 die Schule geschmissen. Ja mit 20, war da das dritte mal in der 13. Klasse. Nun ja, Daddy hatte viel Geld, und obwohl ich in meinem Schulleben 4 mal durchgerasselt bin, haben sie mir mein Abitur dann doch noch anerkannt. 3,8, nicht schlecht was?"
Gott, diese Frau war ja noch dämlicher als er selbst!
"Und jetzt leben sie hier?"
"Ja, seit drei Jahren, Daddy ist froh, jetzt hab ich jemanden, der mich ernährt und er muss nicht mehr für mich sorgen!" Sie kicherte laut los und Manuel verdrehte die Augen.
"Sie verstehen sich ganz gut mit der kleinen Charlotte, was?"
"Nun ja.. Passt schon."
"Fassen Sie sie ja nicht an, da wird mein Schatz sauer."
"Nein, ich habe eine feste Freundin, an so etwas bin ich wahrlich nicht interessiert."
"Ja, Charlotte ist ein komisches Mädchen, müssen sie wissen... Sie hat allerlei komische Eigenschaften.. Sie ist nicht sonderlich beliebt bei uns." Die Dame hatte immer wieder gestockt, sie war wohl entweder der Sprache nicht so mächtig, oder aber sie hatte sich die Worte schwer ausdenken müssen... Er wollte nicht näher darauf eingehen.
Und um die "peinliche Pause" zu unterbrechen, kam Mr. Stanford und küsste seine Geliebte. Manuel wurde es fast schlecht bei dem ganzen Geschmatze und Gegrunze und er verzog sich lieber in die Küche, um sein bezahltes Abendbrot entgegen zu nehmen.
Er aß mit Charlottes Schwester und suchte nach Ähnlichkeiten zwischen den beiden, doch da waren keine.
"Sie haben nicht viele Gäste?"
"Nein, aber wir haben ja auch eigentlich geschlossen."
Damit sollte das Gespräch wohl beendet sein, aber er lies nicht locker.
"Was ist damals mit Ihren Eltern passiert?"
Sie sah ihn seltsam an und fragte: "Was soll mit Ihnen sein, sie leben momentan in Sydney, haben so ne Erlaubnis bekommen von nem ganz hohen Tier.. Na ja... Wieso?"
Manuel wurde schlecht.. Er fragte sich nun, wer wohl in diesem Haus log.
"Nun ja, Charlotte meinte, sie seien gestorben."
"Ach sooo. Ja ja, für sie sind sie gestorben.. Aber ich muss nun.. gehen."
Charlotte hatte gesagt sie lebe ganz oben, so war Manuel einfach mal die Treppen hinaufgegangen, doch dies hatte sich als sehr wackelig entpuppt, denn in den beiden oberen Stockwerken war weder Licht, noch sonst etwas. Sie Räume waren leer, es gab viele Türen und viele Fenster, doch sonst war nichts... Bei jedem Schritt knarrte der Boden unter seinen Füßen und in diesem Moment wusste er wie diese ganzen Horrorstories entstanden waren.
Aber er war in keiner Horrorgeschichte, er war im echten Leben und so kam er auch ohne Verletzungen ganz oben an.
Dort gab es nur zwei Türen und natürlich entschied er sich für die falsche. Denn in dem ersten Raum war mal wieder nichts zu sehen. Ja, diese Leute mussten noch so einiges renovieren!
So ging er zur zweiten Tür und klopfte, doch es kam kein "Herein" oder sonst irgendetwas, aber er war neugierig, und so ging er einfach ungebeten herein.
Charlotte lag nur im Nachthemd bekleidet auf der Couch und Manuel drehte sich sofort um, als er das sah.
"Entschuldigung, Charlotte!"
"Nein nein, es macht nichts.. Ich war eingenickt und hatte vergessen, dass du ja noch hochkommen wolltest. Nun ja, ich werd nicht die erste Frau sein, die du im Nachtkleid siehst!" Er hörte wie sie aufstand und er drehte sich zu ihr. Sie hatte also keine Locken wie er erkannte, denn ihre Haare waren nun glatt und sie rochen frisch gewaschen. So sah sie der Unbekannten nur noch ähnlicher.
Sie erzählte ihm von ihrem Tag und diesmal ging sie in die Offensive und fragte, was das Zeug hielt: "Woher kommst du eigentlich? Und was machst du beruflich? Wie war deine Kindheit" usw usw... Es dauerte bestimmt eine halbe Stunde, bis sie Ruhe gab und nichts mehr fragen wollte.
"Jetzt bin aber ich dran, Charlotte, ich hab etwas, das ich dir zeigen will, können wir uns setzen?"
Sie nickte stumm und sie setzten sich auf die Couch, jetzt kam die Stunde der Wahrheit, das Tagebuch des Speichers seiner Oma!
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So, mir geht es wieder etwas besser und ich habe einen neuen Teil gemacht, wie ihr seht. Hoffe er gefällt euch halbwegs. *G*