Hux schrieb:
Ich werde natürlich nicht für Honk antworten, aber bei der Frage fühle ich ob meiner bisherigen Ausführungen auch angesprochen.
Es gibt immer wieder Leute, die in den entsprechenden Communities, die ausführliche Umfragen zu dem Thema gemacht haben. Sei es für eine Diplomarbeit, einen Votrag in der Schule oder sonst für was. Alleine rund um GTA habe ich ca. 4-5 davon mitbekommen und bei einigen wurden die Ergebnisse auch veröffentlicht. Die Aussage, dass man GTA spiele, wenn man sauer ist und sich danach "besser" fühlt kam da mit einer für mich überraschend hohen Frequenz, da ich z.B. gar nicht zocken kann, wenn ich schlecht drauf / sauer / aggressiv bin - egal was für ein Spiel.
Da ist also meines Erachtens auf jeden Fall etwas dran.
Das geht mir ähnlich - wenn ich mies drauf bin, habe ich gar nicht die Konzentration und käme im Leben nicht drauf, jetzt den Rechner anzuschmeißen - ich würde pasuenlos in alle Ecken krachen und mich nur noch mehr ärgern.
Aber stimmt, manche Leute machen das so. Andere verprügeln ihr Kopfkissen. Verprügeln die morgen ihre Mitschüler? Ich kann mich noch erinnern, wie mich meine Sportlehrerin mal gelobt hat, weil ich meinen Ärger über ein sehr spätes, aber umso unglücklicheres Rausfliegen beim Völkerball nach einer Superpartie damit abreagiert habe, dass ich zur nächstbesten Matte gelaufen bin (die sind ja immer so an der Wand festgezurrt, solange sie nicht benutzt werden) und da mit voller Wucht reingetreten und -gehauen habe, anstatt Andere anzumotzen oder anzugreifen. Danach ging's mir besser...
So, was hab ich da eigentlich gemacht. Ich habe mir ein Ventil gesucht und meinen Frust rausgelassen, indem ich mich an einem Gegenstand abreagiert habe, der keinen Schaden dabei nimmt. Ich habe niemanden persönlich angegriffen.
Was tut aber jemand, der -sagen wir mal- GTA zockt, um Dampf abzulassen? Lässt der nicht auch seine Wut an etwas aus, was keinen Schaden dabei nimmt?
Deutet beides nicht darauf hin, dass da noch eine gesunde Hemmschwelle existiert und die Trennung zwischen Realität (da tue ich anderen Menschen weh) und Ersatz (da haue ich nur eine Matratze / da mache ich nur rote Pixelflecke auf den Bürgersteig)?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Amokläufer jeden Tag wutentbrannt nach Hause kamen und ihren Ärger an Pixelfiguren ausgelassen haben, bis es ihnen besser ging. Ich kann mir eher vorstellen, dass die schon längst über "heiße", momentane Wut hinauswaren. Ich würde eher vermuten, dass diese Leute längst sehr, sehr kühl waren. Dass sie sich langsam, in Ruhe und mit Genuss ihre Rachefantasien aufgebaut haben. Bald, sehr bald würden sie es allen zeigen... und dann sind sie zur Schule. Siehe Columbine: Die haben vorher noch seelenruhig Bowling gespielt! Nein, die waren nicht aufgebracht und zornig. Die waren schon eiskalt. Die hatten mehr Probleme als die ganz normale Wut, die jeder mal hat. Und weder an diesen Problemen noch an der Art, wie sie letzten Endes damit umgegangen sind, kann ich die Schuld von Computerspielen erkennen. (Oder Marilyn Manson

)
Hux schrieb:
Durch das "kann" müsste ich "ja" sagen, ob ich will oder nicht. Können tun tut alles und in diesem Fall zieht im schlimmsten Fall einfach das Gelernt-Schema.
Akzeptiert. Können tut alles. Also verbieten wir jetzt alles, was zu irgendetwas führen
kann?
Hux schrieb:
[Mensch-ärgere-Dich-nicht] ist ein Brettspiel, ein Gesellschaftsspiel. Ein PC Game wird wohl zum Grossteil völlig alleine gezockt und von daher sind das schonmal Vergleiche zwischen Birnen und Äpfeln.
*hust* Unreal Tournament, Quake 3 Arena, World of Warcraft, Diablo II, und natürlich nicht zuletzt das böse, amoklauferregende Counter-Strike...
Hux schrieb:
Man nutzt abstrakte Spielfiguren,
Menschenähnliche Spielfiguren bei MÄDN wären wohl auch zu teuer... aber ok, der Abstraktionsgrad ist bei Brettspielen höher, das ist so.
Hux schrieb:
der eigentliche Gegner sitzt mit am Tisch
Ganz anders als bei einer LAN-Party...
Hux schrieb:
und macht einem ggf. am nächsten Morgen das Frühstück.
...und man trifft ihn am nächsten Tag ggf. auf dem Pausenhof (und zwar nicht mit der Bazooka zwischen die Augen

)
Hux schrieb:
In einem PC Game sind die Gegner ganz klar realistische Figuren, die es aber nicht gibt - also nur virtuell. Keiner von denen macht einem das Frühstück - es sind "Fremde"... aber sehen Menschen sehr, sehr ähnlich und "fremde Menschen" rennen praktisch in beiden Welten mehr genug rum.
Siehe die Punkte oben - eben nicht nur. Etliche arbeiten auch mit einem zusammen (Counter-Strike, Diablo, Half-Life II) oder sind neutrale Zivilisten, die sogar geschützt werden müssen (Counter-Strike!).
Es ist zu einfach, es haut nicht hin. PC-Spiele sind vielschichtiger, vielfältiger, haben mehr Facetten. Sie bringen ganz neue Arten von Interaktion ins Spiel, die mit herkömmlichen Brettspielen so nicht möglich sind, und sie bieten gerade durch die realistischen Darstellungsmöglichkeiten eine Menge Neues - all das ist aber noch nicht groß erforscht.
Höchst verdächtig ist ja schon erstens der Gebrauch solch tendenzieller und polemischer Begriffe wie "Killerspiele", durch die deutlich gemacht wird, dass sämtliche Diskussionen eine reine Farce sind - wer sich so ausdrückt, hat sein Urteil schon gefällt und ist für Argumente wohl kaum mehr zugänglich. Zweitens finde ich es immer höchst amüsant, dass der Begriff "Killerspiele" eigentlich immer schön als Container für diejenigen Computerspiele gilt, die einer gewissen Gruppe gerade nicht in den Kram passen - als gäbe es unter den PC-Spielen keine Genres, wird da munter reingeschmissen, was nicht ins konservative Weltbild passt.
Übrigens wäre eine Liste mit all den ach-so-schlimmen Dingen, die die Jugend verderben und überhaupt gar fürchterliche Dinge mit der zarten kindlichen Seele anstellen (und sich 10-20 Jahre später als vollkommen unbegründet herausstellten) sicherlich recht lang- irgendwann wird wohl auch so manches PC-Spiel mal darauf erscheinen.
Und an dieser Stelle noch mal ein Stichwort in Sachen
"Können tun tut alles und in diesem Fall zieht im schlimmsten Fall einfach das Gelernt-Schema.":
Auch das Spielen lernt man in seiner Familie. Warum fragt eigentlich niemand danach, ob sich die Eltern der Kinder, die oft vor der Daddelkiste hocken, auch mal die Zeit nehmen, mit ihren Sprösslingen ein Brettspiel zu spielen? Da gibt's richtig coole Sachen, deutsche Brettspiele genießen weltweit einen exzellenten Ruf und sind in den USA sogar unter dem Genre "German-style Games" bekannt, weil sie sich durch Komplexität, Ideenreichtum, Langzeitmotivation und Abwechslung auszeichnen. Wie viele der Eltern, die sich Sorgen um böse, böse PC-Spiele machen, spielen denn an einem Winterabend bei einer Kanne Tee mal eine Runde zusammen? Egal, wie die Zahl lautet, ich würde mal behaupten: Viel zu wenige.
Hux schrieb:
Spiele sind, vor allem für Kinder, nicht Unterhaltung oder reiner Zeitvertreib.
D'accord. Daher ja auch Jugendschutz. GTA ist nun wirklich nicht pädagogisch wertvoll und muss keine Jugendfreigabe erhalten, finde ich. Zensiert werden muss es aber auch nicht.
Denn egal, ob Jugendschutz oder Zensur: Ohne die Eltern bleibt beides nur ein Stück Papier und wirkt nicht. Wer will, kommt dran. Und ein Kommentar, den ich in Foren öfters gelesen habe, lautete sinngemäß etwa "Ich wäre ja gar nicht mal sauer, wenn meine Eltern mir [böses Spiel hier einsetzen] verbieten würden, aber die interessieren sich ja überhaupt nicht für das, was ich mache." Ja liebe Kinder, selbst wenn jetzt böses Spiel x in Deutschland verboten ist und selbst wenn es per Gesetz möglich wäre, Junior komplett davon abzuschirmen - glaubt jemand, dass das Problem damit gelöst ist? Nö, das ist nach wie vor da. Und wenn dann in der Daddelkiste nix läuft, dann schnappt man sich halt Papis Luftgewehr und fängt an, auf Tiere zu schießen...
Aber ist ja kein Problem, dann verbieten wir auch Luftgewehre einfach. Und Steine. Steine sind böse, die kann man werfen.
Hux schrieb:
Was nun, wenn ein Spiel weder Wissen vermittelt, noch in einer positiven Art das Denken anregt?
Die Beurteilung ist eine Ermessensfrage. In Österreich gibt es jetzt eine Art Gütesiegel für wertvolle Spiele. Und natürlich gibt es auch in Österreich Spiele, die konservativere Kreise nicht so gerne sehen. Aber warum zum Geier bekommt Need for Speed Underground das Gütesiegel, während GTA verteufelt wird? NFS erzieht ja nun auch nicht gerade zum lämmchenfrommen Verkehrsverhalten, und wer diese besondere Art von kaltem Hass hat, die ich oben beschrieben habe, der kann sich auch mit NFS in eine Amokfahrt reinversetzen, mit 200 über die Ringe, rote Ampeln kein Problem...
Wenn jemand über eine Kreuzung heizt und einen Unfall verursacht, guckt doch auch kein Schwanz nach, ob der nun Porsche Cup, Autobahn-Raser, Need for Speed, Driver oder was-auch-immer auf der Kiste hat! Und da ist die Simulation mittlerweile auch fotorealistisch.
Hux schrieb:
Es reduziert sich auf die Lern-Schemen, die ich schon angesprochen habe. Wenn die nun auf fruchtbaren (unfruchtbar würde eigentlich besser passen) Boden treffen wird es 100%ig im Kopf des Spielers Paralellen zwischen der Spiel- und echten Welt geben.
Ja, und wo kommen die Lernschemen her? Und kriegt man die per Zensur weg? Ich sehe dafür keine Anhaltspunkte, schon gar keine, die so ein Gesetz rechtfertigen würden.