FS: *Feuer im Herzen*

Oha das war ja jetzt spannend, ob sie wohl die Fluch schaffen.
Kapitel war mal wieder super klasse, Leora ist aber auch ne ganz hübsche da kann ich Gregory verstehen. Und das Nelly nun ihren liebsten endlich wieder hat find ich so schön *romantisch*.
Bin gespannt wie es weitergeht mit den vieren und ob die Flucht gelingt.

LG tamfanae :):hallo:
 
Ich habe schon vor längerem den Anfang deiner Story gelesen, dir aber damals keinen Kommi dagelassen, da ich noch ein bisschen Zeit zur Entwicklung lassen wollte. Ab dem dritten Teil kann man dann meistens etwas produktives beisteuern. :)

Mir gefällt deine Story sehr gut, besonders weil das Thema so schön ist. Erinnert mich ein bisschen an "Die Farbe lila", obwohl es hier ja um eine reiche Familie geht. Man kann immer wunderbar mit Nelly mitleiden und ich bin gespannt, wie sich die Geschichte weiterentwickelt. Bis jetzt hast du das sehr gut gemacht! Ich bin froh, dass deine Story aus den Tiefen des Forums wieder aufgetaucht ist, sie hat mir schon beim ersten Mal gut gefallen.

Gut gemacht!
 
Feuer im Herzen - Gibt es ein Wiedersehen?

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Knappe zwei Stunden später waren sie am Hafen von Dover angelangt. Die ruhige, blaugraue See lag verheißungsvoll vor ihren Augen. In wenigen Minuten würde das Schiff, das sie nach Übersee führte, ablegen.
Nelly staunte über Jesses Organisationstalent. Binnen kürzester Zeit war es ihm gelungen, vier Passagierkarten – selbstverständlich auf fremde Namen ausgestellt - für die Überfahrt aufzutreiben.

Erleichtert, dass es so reibungslos geklappt hatte, standen die vier am Landungssteg beieinander, als plötzlich Aufruhr in die Menschentraube, die auf die Abfahrt wartete, kam.

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Nelly warf einen Blick auf den Schiffskapitän und dessen erste Matrosen, die ganz in ihrer Nähe standen und aufgeregt durcheinander redeten.


Geistesgegenwärtig warf sie ihren dunklen Umhang über Leora’s auffallend rotes Haar und tauchte mit ihr und Gregory in der Menge unter. Instinktiv wusste sie, dass es ein Problem gab, denn der Kapitän schien mit einem Mal sehr wütend zu werden.

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Jesse, der in seiner Arbeitskluft am wenigsten auffällig wirkte, wagte sich an die Crew heran.
„Entschuldigen Sie bitte, Sir! Wann wird dieses Schiff abfahren?“ sprach er auf unterwürfige Weise den Kapitän an.
„Nicht bevor wir eine bestimmte Person aufgespürt haben, die keinesfalls mit an Bord darf!“ fauchte der erzürnte Mann.


Jesse stellte sich absichtlich dumm.

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„Oh je! Wir werden doch sicherlich keinen Verbrecher mit auf das Schiff nehmen! Ich hätte keine ruhige Minute!“ rief er entsetzt aus.
Nelly, die ihn aus dem dunklen Winkel, in den sie und Leora sich geflüchtet hatten, beobachtete, war verwundert über das grandiose Schauspieltalent, das ihr Liebster an den Tag legte. Er machte den Eindruck, als sei er ein harmloser, geistig etwas zurückgebliebener Passagier, den kein Wässerchen trüben konnte. Dabei war er es gewesen, der diese Entführung von vorne bis hinten detailiert durchgeplant hatte!
Wäre die Situation nicht so brenzlig gewesen – Nelly hätte fast laut aufgelacht!

Der Kapitän schien jedenfalls der festen Überzeugung zu sein, dass er es mit einem einfältigen, leicht debilen Reisegast zu tun hatte und verplauderte sich – genau, wie es Jesses Absicht gewesen war.

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„Nein, Mann! Wir suchen nicht nach einem Verbrecher, keine Angst! Es geht um eine junge Dame aus bestem Hause – genauer gesagt um die Tochter eines der reichsten und mächtigsten Männer Englands. Er ist der oberste Aufsichtsratsvorsitzende unserer Reederei – Mr. Thomas J. Vaughn – Sie haben sicherlich schon von ihm gehört. Ganz im Vertrauen: Seine Älteste ist durchgebrannt und er vermutet, dass sie mit diesem Schiff nach Übersee fahren will. Das kann ich natürlich nicht zulassen! Ich muss diese überdrehte Göre finden! Wenn ich einfach startklar gebe und dieses Mädchen ist an Bord bin ich meinen Job im Handumdrehen los. Vielleicht ist ihnen ja eine junge Dame mit rotem Haar aufgefallen?“


Jesse spielte seine Rolle perfekt! Wie ein Halb-Verrückter fing er an zu kichern. „Rotes Haar? Ich mag rotes Haar bei Frauen! Wenn ich sie gesehen hätte, hätte ich sie so schnell nicht wieder los gelassen! Sie verstehen was ich meine, Sir?!“
Der Kapitän grinste. „Na, klar doch, Mann! Dürfte ja ziemlich feurig sein, die Kleine! Na, ich hoffe, wir finden sie bald, damit die Reise endlich losgehen kann!“

Mit diesen Worten drehte er sich wieder zu seinen Matrosen um und brüllte seine Befehle über den Landesteg.

Jesse wusste nun, was er hatte wissen wollen.

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Eiligst stürmte Nelly ihm entgegen, während sich Leora und Gregory weiterhin versteckt hielten.
„Leora kann nicht auf dieses Schiff! Ihr Vater hat bereits Suchbefehl gegeben. Das Schiff fährt nicht ab, bevor nicht sichergestellt ist, dass sie definitiv nicht an Bord ist!“ raunte Jesse seiner Liebsten zu.

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„Wie soll es nun weitergehen, Jesse?“
Nelly war verzweifelt. Nun würden sie alle vier hier bleiben müssen und hatten keine Möglichkeit, zu entfliehen.

Auch Jesse wusste so schnell keinen Ausweg aus dieser Misere. Er nahm Nelly tröstend in den Arm. Sie brauchte jetzt eine Schulter zum Anlehnen, denn all ihre Hoffnungen schienen zerstört.

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Sie klammerte sich an ihn, schluchzte herzzerreißend auf. Jesse schloss die Augen. Es tat ihm so leid, dass ihre Pläne so knapp vor ihrem Ziel scheiterten. Er wollte diese Frau glücklich sehen. Ihre Tränen taten ihm weh.
Doch er musste nun irgendwas unternehmen. Sie konnten nicht stundenlang hier am Kai stehen und sich umarmen, sonst würden sie sicherlich bald entdeckt werden.

Sie mussten hier schleunigst weg – alle vier! Voller Tatendrang schlug Jesse die Augen auf, die weinende Nelly immer noch fest im Arm haltend.
„Wir müssen Gregory und Leora suchen! Die beiden kauern bestimmt völlig verängstigt in einem dunklen Winkel!“ forderte er seine Geliebte auf.

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Gemeinsam suchten sie – möglichst unauffällig – den Landungssteg der „American Lady“ ab, doch von Gregory und Leora war keine Spur.


Gehetzt und unsicher blieben sie schließlich stehen. Sie waren abseits des Trubels, der sich vor dem Passagierschiff abspielte und blickten hinaus aufs Meer.

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Ein riesiges Frachtschiff verließ gerade den Hafen.
Hunderte, ja tausende von Containern hatte es aufgeladen. Jesse staunte. Einen Dampfer von so überwältigenden Dimensionen hatte er noch nie zuvor gesehen. Er konnte seinen Blick kaum davon abwenden. Nelly dagegen zeigte kaum Interesse an diesem Giganten der Meere.

Nervös zupfte sie Jesse am Ärmel seines Hemdes und versuchte, ihn mit sich fortzuzerren. „Wir müssen die Kinder finden! Ohne uns werden die beiden niemals von hier weg kommen!“ rief sie ihn ungeduldig an.

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Sie wollte schon in Zorn geraten, als Jesse trotzdem weiterhin seelenruhig am Kai stehen blieb und seine Augen auf das Containerschiff richtete.

„Wie kannst du nur dauernd dieses Schiff anstarren? Lass uns weitersuchen! Es geht um das Glück meines Sohnes!“ drängte sie.


Jesse wandte sich zu ihr um und lächelte. „Ich glaube, dein Sohn und deine zukünftige Schwiegertochter haben ihr Glück bereits selbst in die Hand genommen!“

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Nelly war nun endgültig verwirrt. Erst als Jesse die Hand hob, um in Richtung des mächtigen Frachtschiffes zu winken, folgte sie seinem Blick.
Rasch führte sie ihr Fernglas an die Augen und erkannte die beiden Personen, die an der Reeling des Frachters standen und wie verrückt zurückwinkten.

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Gregory und Leora! Gott sei gedankt – sie waren in Sicherheit auf einem Schiff, das auf dem Weg war, englisches Hoheitsgebiet zu verlassen.

„Hoffentlich kommen sie gut zuhause an! Ob dieses Schiff wohl auch direkt im Hafen von New York anlegt?“ sann Nelly nach und winkte den beiden jungen Leuten ebenfalls nach.

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Erst dann bemerkte sie Jesses mitfühlenden Blick. Er brauchte nichts mehr zu sagen. In diesem Moment wusste sie, dass der Zielort dieses Riesen-Dampfers nicht Amerika war. Noch einmal blickte sie durch das Fernrohr auf das Schiff, das sich immer weiter und weiter von der Küste entfernte, bald nur noch ein kleiner Punkt am Horizont und schließlich gar nicht mehr zu sehen sein würde.

„African Star“ – Nelly zuckte geschockt zusammen. Greg und Leora waren also unterwegs zum „Schwarzen Kontinent“! Würde sie die beiden überhaupt jemals wieder sehen?
 
Wow der Teil war ja wieder super spannend, da hat Greg ja schnell gehandelt. Ein Glück das die beiden es wenigsten geschafft haben. Ich hoffe doch das sie sich alle wiedersehen werden. Bin mal gespannt wie es nun mit Nelly und Jesse weitergeht.
Die Bilder sind auch super geworden, sehen viel besser aus als bei den anderen Kapiteln nun kann aber keiner mehr meckern über Deine Bilder.
Freu mich schon auf den nächsten Teil.

LG tamfanae :hallo:
 
wow! tolles kapitel!
schön dass es weitergeht!! ich glaub die bilder sind zu groß! aber ich finde dass die bilder echt toll geworden sind!
na hofffentlich geht das gut"!
 
oh man
was für eine herzzereißende geschichte.
ich weiß garnich was ich sagen soll...hoffentlich kommen die jemals wieder aus afrika raus...herje
auf jeden fall hast du es wieder richtig gut gemacht^^
deine bildqualität hat sich auch merklich verbessert...nur....*ohje* ich trau mich net :rolleyes: in manchen bildern, wo deine sims rumstehen, sieht es nen bissel kal aus...so lehr irgendwie....bitte bitte net bös sein

aber sonst is wieder einsame spitzenklasse=)
 
Danke für eure Kommis, meine lieben treuen Leser...
Na, ja, die Bilder sind jetzt ein bissi besser, aber trotzdem immer noch verschwommen. Sind sie wirklich zu groß? Ich hab' jetzt nämlich beim Hochladen auf imageshack ein anderes Format eingestellt, weil sie vorher so klein waren, dass man kaum die Personen erkennen konnte. Ich finde es so halt besser, weil man jetzt wenigstens was drauf sieht. Wenn ich das wieder umstellen soll (muss), sagt mir's bitte.
Jedenfalls freu ich mich, dass euch meine Story gefällt ! JUHU!!!
@Jey-Jey: Nein, bin ganz sicher nicht bös wegen deiner Kritik, ist ja Geschmackssache und in Sachen "Deko" bin ich halt nicht so gut - geb' ich zu.
Also, tschüßi ihr Lieben, bis bald!
 
Ich finde deine letzten Kapitel wieder total toll. Ich hab ja schon länger kein comment geschrieben, weil ich ja im Urlaub war. Aber natürlich les ich jetzt wieder weiter. Freu mich schon.
Ich bin ja echt mal gespannt, was aus den beiden wird. Ob sie gewusst haben, dass sie nach Afrika fahren?
Und ich frag mich, was Nelly dann macht.
:)
 
So, nach 'ner längeren Schaffenspause **gg** geht's wieder weiter...


Jesse hatte für Nelly und sich Bordkarten für die „American Lady“ auf gefälschte Namen ausstellen lassen. Wie ihm das gelungen war, blieb Nelly ein Rätsel, aber die Hauptsache war, dass sie somit ungehindert ihre Reise auf dem Passagierschiff antreten konnten.


Es ging Richtung Heimat!
3 Wochen würden sie auf dem Ozean verbringen, bis sie den Hafen von New York erreichten. Trotz aller Trauer, dass Gregory und Leora nicht mit ihnen nach Hause reisen konnten, freute sich Nelly doch auf daheim.
Jetzt würde ihr neues Leben endlich richtig beginnen! Gemeinsam mit Jesse an ihrer Seite – und dass er an ihrer Seite blieb, daran bestand kein Zweifel – war sie stark genug, um alle Widrigkeiten aus dem Weg zu räumen.

Obwohl sie so lange Zeit getrennt gewesen waren, waren sie einander doch so vertraut, wie es nur zwei Menschen sein konnten, die sich aus tiefsten Herzen liebten.

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Eine innige Verbundenheit und Harmonie herrschte zwischen ihnen, so wie es zwischen Mann und Frau sein sollte.
Nelly hatte solche Gefühle zwar die ganzen Jahre während ihrer Ehe nie kennen gelernt, aber sie wusste: So war es richtig!
So musste Liebe sein!

Während der langen Reise wurde den beiden nie langweilig, denn sie hatten einander so viel zu erzählen, dass sie erstaunt darüber waren, wie schnell die Tage doch vorüber gingen.

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Sie sprachen miteinander über ihre Vergangenheit, was sich in den langen Jahren ihrer Trennung ereignet hatte.
Nelly erfuhr, dass Jesse, nachdem ihm zu Ohren gekommen war, dass sie einen anderen heiratete, seine Familie verlassen hatte und vom Land in die Großstadt New York gezogen war, um dort in einem Nobel-Hotel eine Stelle als Küchenjunge anzutreten.
Er hatte Glück gehabt und in dem Küchenchef – einen Meister in seinem Fach – einen geduldigen Lehrmeister gefunden, der ihn in die Geheimnisse der gehobenen Cuisine eingeweiht hatte. Jesse hatte sich als gelehriger Schüler erwiesen und sich binnen kurzer Zeit zum Beikoch und schließlich – nachdem sein Meister in Rente ging – sogar selbst zum „Chef de cuisine hinaufgearbeitet.
Alles in allem hatte sein Aufenthalt in New York fast 10 Jahre gedauert. Er hatte mit der Zeit schließlich gutes Geld verdient und – das verschwieg er Nelly nicht – auch mit einer Frau zusammengelebt. Die große Liebe sei es nie gewesen, aber doch gegenseitige Zuneigung und der beiderseitige Wunsch, gemeinsam eine Familie zu gründen.


„Kurz vor der Hochzeit – Anny und ich waren schon länger verlobt – kam mir plötzlich die Erkenntnis: Ich konnte sie nicht heiraten, denn ich liebte doch immer noch dich! Ich konnte eine andere Frau nicht so sehr verletzen, dass ich SIE zur Frau nahm, wo ich doch genau wusste, dass ich sie Zeit unseres gemeinsamen Lebens immer nur mit dir vergleichen würde.
Und diesem Vergleich hält für mich keine andere stand!“

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Nelly bedachte den Mann ihres Herzens mit einem liebevollen, hingebenden Blick von der Seite. Eine schönere Liebeserklärung konnte es wohl kaum geben!


Jesse war sehr ernst.
„Ich verließ Anny und ich verließ New York. Ich war mir darüber klar geworden, dass ich ohne dich niemals wirklich glücklich werden konnte. Deshalb ging ich zurück nach Hause in unser Dorf. Ich wusste zwar, dass du dort schon lange nicht mehr lebtest, sondern mit deinem Mann weggezogen warst, aber ich hoffte, wenigstens deinen Aufenthaltsort ausfindig machen zu können. Ich wollte dich nur ein Mal wieder sehen und mich vergewissern, ob du glücklich bist. Aber nicht einmal deine Eltern wussten, wie die Stadt hieß, in der das Haus deines Mannes ist. Sie sagten, sie hätten in all den Jahren nicht einen Brief von dir bekommen.“

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An dieser Stelle brach Nelly in Tränen aus.
Ihre Eltern!
Sie waren nun schon lange tot. Edward hatte ihr sofort nach ihrer Hochzeit verboten, Kontakt mit ihnen aufzunehmen und da die Post – ob rein- oder hinausgehende Briefe - immer durch seine Hände gegangen war, hatte er auch stets die Kontrolle darüber gehabt, ob sie sich an dieses Verbot hielt. Allein aus Angst vor seinen Gewalttätigkeiten hatte es Nelly sowieso nie gewagt, ein paar Zeilen nach zuhause zu schreiben.


Gleich nach Edwards Tod hatte sie einen hoffnungsvollen Brief verfasst, in dem sie dem Wunsch Ausdruck verlieh, die Stätte ihrer Kindheit und Jugend wieder besuchen zu dürfen. Das Schreiben gelangte postwendend an sie zurück – mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt“. Nach näheren Nachforschungen hatte Nelly erfahren, dass ihr Vater und ihre Mutter inzwischen längst verstorben waren und ihre Geschwister sich in alle Winde zerstreut hatten.
Sie alle hatten wohl geglaubt, sie wäre zu einer reichen Frau geworden, die nichts mehr mit ihren ärmlichen Verwandten zu tun haben wollte.
Nelly hatte es fast das Herz gebrochen. Sie hatte sich selbst Vorwürfe gemacht, dass sie in ihrer Ehe mit Edward nicht doch einen Weg gefunden hatte, heimlich den Kontakt mit ihrer Familie aufrechtzuerhalten.

Doch es war zu spät!

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Wiederum kam jetzt Trost von Jesse.
„Ruhig, mein Engel! Deine Eltern wollten damals nur das Beste für dich, als sie dich diesem Kensington zur Frau gaben. Hättest du ihnen geschrieben, hätten sie gewusst, dass sie einen Fehler begangen haben. So aber mussten sie annehmen, dass du geborgen und glücklich bist. Hätten sie jemals erfahren, welche Demütigungen dir dieser Mensch angetan hat – sie hätten niemals in Frieden sterben können!“

Nelly bewunderte die Lebenserfahrung und Menschenkenntnis ihres Liebsten. Alles was er sagte, klang in ihren Ohren so vernünftig und wahr!
Edward war zwar ein Mann von unermesslichem materiellem Reichtum gewesen, aber Jesse war so reich an Weisheit, dass kein Gold dieser Erde für sie das Glück aufwiegen konnte, in seinen Armen geborgen zu sein.

Die Tage mit ihm waren unterhaltsam, interessant, ausgefüllt, harmonisch, spannend, intellektuell anregend,… - einfach wundervoll.

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Und die Nächte…? Sie waren schlichtweg bezaubernd!
Nelly genoss es, in Jesses Armen zu liegen und mit ihm gemeinsam Zukunftspläne zu schmieden.
Trotz ihrer 41 Jahre fühlte Nelly sich wieder wie ein junges Mädchen mit unzähligen Hoffnungen und Träumen.

Sie sah auch aus wie ein junges Mädchen.
Immer noch besaß sie einen jugendlich-straffen Körper und wenn Jesse sie in die Arme schloss, konnte er vor Erregung und Leidenschaft kaum an sich halten.

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Sie hatten einander so viel zu geben – nicht nur auf körperlicher Ebene, doch ihr starkes Verlangen nacheinander riss sie Nacht für Nacht hinein in einen Sog der Ekstase.

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Sie rochen, fühlten, spürten, schmeckten einander – sie gaben sich jeder dem anderen hin, mit allen Sinnen, als wäre jedes Mal das erste oder das letzte Mal.

Wenn Nelly sich morgens, nach einer dieser stürmischen Liebesnächte morgens im Spiegel betrachtete, sah sie nun zum ersten Mal im Leben das Abbild einer rundum zufriedenen Frau, die alle ihre Bedürfnisse – ob körperlich oder geistig – befriedigt wusste.

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Ja, sie war glücklich!
Und sie wollte dieses Glück nie wieder missen.
Doch wie würde es weitergehen? Wie würde es die Gesellschaft der Kleinstadt, in der ihr Haus stand, es aufnehmen, dass sie – eine Witwe und zweifache Mutter – mit 41 Jahren einen Geliebten hatte?
Und vor allem: Wie würde Jules, der ja noch nicht volljährig war und bei ihr wohnte, auf den neuen Mann an der Seite seiner Mutter reagieren?

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„Ach Nelly, wir haben zu lange gewartet, um uns wieder zu finden und ein gemeinsames Glück aufbauen zu können, als das wir uns das jetzt durch äußerliche Einflüsse zerstören lassen! Mach dir keine Sorgen um die Leute! Die Leute machen sich auch keine Sorgen um dich, wenn es dir schlecht geht. Und dein Sohn? Wenn er seinem Bruder Gregory auch nur ein bisschen ähnlich ist, dann ist er ein kluger, mutiger junger Mann,“

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Seufzend ließ sich Nelly in einen gepolsterten Sessel fallen.


„Weißt du, Jesse, eigentlich kenne ich Jules kaum. Edward hat ihn mir weggenommen, kaum dass er geboren war und ihn in die Obhut der Nanny gegeben. Ich habe keinerlei Einfluss auf Jules’ Erziehung gehabt. Er war nie mein Kind. Er ist wohl stark und mutig, aber eher auf die Weise, wie sein Vater es war. Stärke vereint mit Skrupellosigkeit. Nun ja, Jules ist noch zu jung, um das richtig beurteilen zu können, aber mir ist es oft so vorgekommen, als ob da in seinen Augen das selbe harte Glitzern wäre, wie in den Augen von Edward.“

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Unwillkürlich musste Jesse lächeln.
So weit kam es noch, dass er sich von einem 17-jährigen Jungen in Angst und Panik versetzen ließ!
„Liebste, du siehst Gespenster! So schlimm kann dein Sohn nicht sein, denn schließlich bist du seine Mutter und ein bisschen was muss er ja von dir auch haben.“

Jesses beruhigende Worte vertrieben in Nelly fürs erste die dunklen Wolken der Vorahnung.
Sie wischte die düsteren Gedanken energisch beiseite und genoss gemeinsam mit ihrem Liebsten die noch verbleibenden Tage ihrer Reise in vollen Zügen.

Es war in der letzten Augustwoche des Jahres 1921 als Nelly und Jesse im Hafen von New York einliefen.

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„Na? Bist du froh, bald wieder zu Hause zu sein?“ fragte Jesse, als das Schiff anlegte.
Nelly nickte, doch insgeheim ahnte sie bereits, dass nun die unbeschwerte Zeit für sie beide vorüber war und das unbestimmte Gefühl, dass ihnen schwere Kämpfe bevorstanden, ließ sie nicht mehr los.


Sorry, wegen (noch) fehlender Benachrichtigungen, aber ich möchte heute noch ein weiteres Kapitel fertig bringen und dann folgen Benachrichtigungen.
Lg, Scarlett Rose
 
Zuletzt bearbeitet:
So, voilà! Hab's wirklich geschafft!



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Als sie das Schiff verließen, sah Nelly, wie ein junger, wohlgekleideter Mann direkt auf sie zukam. Im ersten Augenblick war sie verwirrt, erst als er vor ihr stand, erkannte sie in ihm erst ihren Sohn Jules.
Du liebe Güte!
Wie konnte sich ein 17-jähriger in nur 2 Monaten von einem unfertigen Bürschlein in einen solch gutaussehenden Mann verwandeln?

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Nur an seinem stechenden Blick aus intelligenten braunen Augen erkannte ihn seine Mutter. Ansonsten schien ihr ihr Jüngster völlig verändert.
Er trug sein Haar nun etwas länger und anders frisiert. Sein zuvor noch kindlich anmutendes Gesicht war schmäler und kantiger geworden – vielleicht bildete sie sich das auch nur ein!?

Jedenfalls zeigte er sich in seinem Verhalten kaum anders als vor Antritt ihrer Reise. Immer noch die locker-kecke Art, die eines gewissen Charmes nicht entbehrte.


Willig ließ er sich die Umarmung seiner Mutter gefallen.

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„Hallo, Frau Mama! Du siehst prächtig aus! Hat dir sichtlich gut getan, der Trip in die ‚Alte Welt’! Aber wo ist denn mein teures Bruderherz abgeblieben?“
Jules blickte sich suchend um und entdeckte Jesse, der hinter seiner Mutter stand und neben ihm ihre Koffer.
Nelly stockte das Herz und ein zäher Kloß schien in ihrem Hals zu stecken, so dass sie kein Wort hervorbrachte. Wie sollte sie ihrem Sohn erklären, dass dies der Mann war, den sie liebte, den sie immer schon geliebt hatte – und der fortan in ihrem Haus mit ihnen leben würde?

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Jesse jedoch kannte keine falsche Scham und passte sich – so wie es seine Art war – spielend-leicht der merkwürdigen Situation an.


„Guten Tag, Julian! Schön, dich kennenzulernen! Deine Mutter hat mir ja schon die ganze Schiffsreise über von dir erzählt, aber nach dem was sie sagte, habe ich geglaubt, einen kleinen Jungen vor mir zu finden und was ich sehe, ist ein ganzer Mann!“


Widerwillig musste Jules lachen und erwiderte Jesses festen Händedruck. „Klar doch! Ich bin ja schließlich fast 18. Aber nun klären Sie mich mal auf, Mister, denn meiner werten Frau Mama scheint es ja die Sprache verschlagen zu haben! Ich bin Julian Kensington – das hätten wir bereits geklärt – aber wer, in Gottes Namen sind SIE?“


Jesse schmunzelte. Nellys jüngerer Sohn schien ja wirklich ein aufgewecktes Kerlchen zu sein!


„Also, mein Name ist Jesse Richards. Ich habe deine Mutter nach langer Zeit in London wieder getroffen und sie hierher begleitet. Alles weitere, auch wo dein Bruder Gregory abgeblieben ist, werden wir drei bei euch zu Hause besprechen. Einverstanden, mein Junge?“

Jules murmelte irgendetwas vor sich hin, das nach „Meinetwegen“ klang und so machten sich die drei auf den Weg in die kleine Stadt vor den Toren der Metropole New York, in der das Haus der Kensingtons lag.

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Es war bereits dunkel geworden, als sich Nelly, Jesse und Jules endlich gemeinsam an dem kleinen Tischchen auf der Terrasse der Villa zusammenfanden, um die wichtigen Ereignisse der letzten Wochen zu besprechen.
Zunächst redeten sie über Gregory und Leora und Jules schien erstaunt zu sein über den Wagemut seines älteren Bruders.


Dann kam die Sprache auf ihrer beider Beziehung zueinander.
Es war Nelly anzusehen, dass es ihr unangenehm war, ihre Gefühle vor ihrem fast erwachsenen Sohn offen darzulegen. Mit Gregory hätte sie solche Dinge ungeniert besprechen können, doch vor Jules’ lauerndem, wartendem Blick schien sie förmlich in sich zusammenzusinken.
So ergriff Jesse das Wort.
„Du bist jetzt fast 18, Julian – also fast erwachsen. Deshalb wirst du auch verstehen, was deine Mutter und ich dir sagen wollen“, fing er in seiner ruhigen, gelassenen Tonart an.

„Du bist der Geliebte meiner Mutter! Was soll es da noch viel zu erklären geben?“ wandte der aufmüpfige Jules ein und machte ein Gesicht, als ob kein Wässerchen ihn trüben könnte.

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„Deine Mutter und ich kennen uns seit vielen Jahren und wir hatten einander aus den Augen verloren. Durch einen glücklichen Zufall trafen wir uns in London wieder und wir danken Gott dafür, dass er uns nach so langer Zeit zusammengeführt hat. Deine Mutter und ich, wir LIEBEN uns“, korrigierte Jesse den jungen Mann nachsichtig.


„Tja, dann kann man euch ja nur gratulieren! Nette Geschichte, aber was geht mich das an?“
Gleichgültiger ausgesprochen konnte eine Antwort gar nicht sein!


„Deine Mutter und ich werden heiraten, Julian!“ fügte Jesse sanft hinzu und erschrak fast im selben Augenblick über Jules’ hassverzerrten Gesichtsausdruck.

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Der Junge hatte sich jedoch schnell wieder im Griff, so schnell, dass seine Mutter es wohl kaum mitbekommen hatte.


„Nun ja, es ist zwar recht ungewöhnlich, dass zwei Leute in eurem Alter noch heiraten wollen, aber es sei euch vergönnt. Es geht mich ja auch nicht wirklich etwas an“.
Jules belustigte, gleichmütige Stimme stand genau im Gegensatz zu dem Ausdruck, den Jesse noch vor weniger als einer Minute eindeutig auf seinem Gesicht wahrgenommen hatte.

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Nelly, die bisher nichts gesagt hatte, ergriff nun das Wort.
„Aber natürlich geht es dich etwas an, Jules. Ich möchte doch, dass Jesse und du euch gut versteht. Wir werden ja alle gemeinsam in diesem Haus leben.“

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„Mal sehen!“ murmelte der Junge leise und erhob sich aus seinem Sessel.

„Gute Nacht, Mutter! Gute Nacht, Mr. Richards!“
Er schloss die Tür zur Terrasse leise hinter sich und ließ Nelly und Jesse allein zurück.

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Jesse war nachdenklich geworden, doch als ihm Nelly nun freudestrahlend zulächelte, riss er sich zusammen und gab ihr Lächeln zurück.


„Na, war doch gar nicht so schlimm, wie wir befürchtet hatten, oder?“ jubelte sie.

Er merkte ihr ihre Erleichterung an, doch in ihm selbst war längst nicht dieses befreite Gefühl, das er nach außen hin zur Schau stellte, um Nelly nicht zu verunsichern.
„Er wird’s wohl verkraften“, grinste er und schlug Nelly vor, ins Bett zu gehen, da sie beide nach der langen Reise und den ganzen Aufregungen der vergangenen Wochen völlig erschöpft waren.

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Nelly schlief schon längst, als Jesse immer noch wach in dem breiten Empire-Bett lag und nachgrübelte.


Er wusste: Der Junge war längst nicht so unschuldig, wie es den Anschein machte. Er war verschlagen und hinterlistig – das hatte Jesse heute Abend in seinen Augen erkannt. Er würde ihm und Nelly noch viele Probleme bereiten, doch Jesse war fest entschlossen, nicht blauäugig und unvorbereitet in den Kampf zu ziehen…
 
Hallo,

*erster bin, noch kein Kommi hier, komisch*
Hach, die beiden Kapitel warn wieder mal sehr schön. Jules oder Julian *wie heißt er denn nun, hast Dich verschrieben :confused:*, ist ja ein ganz hübscher junger Mann geworden. Ich glaub auch das er es den beiden nicht leicht machen wird, hoffentlich schaffen die beiden die jetzt auf sie zukommenden Probleme.
Bin schon gespannt wie es jetzt weitergeht.

LG tamfanae :hallo:
 
So lange kapitel mag ich besonders gerne!!!
Großes dickes LOB!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
:-)
 
Die 2 Kapitel waren toll. Ich hoffe in dem nächsten kommt etwas zu dem großen Bruder! Mich interessiert echt, was aus den Zweien wird. :)
LG
 
Hallo!
@tamfane: Schön, dass dir die Fortsetzungen gefallen haben. Der jüngere Sohn heißt eigentlich Julian, wird aber seit seiner Geburt eigentlich von allen Jules genannt, so als "Kosenamen" halt.
@dark-lady: Danke fürs Lob!
@Jula: Danke! Ja, im nächsten Kapitel werden wahrscheinlich wieder Greg und Leora vorkommen und wie's ihnen so ergeht in Afrika...

Bis bald!
 
Sodala, es geht weiter! Ein etwas kürzerer Teil diesmal, aber vielleicht schaff ich heute noch einen weiteren.
Viel Spaß!





Die Wochen vergingen, ohne dass etwas Entscheidendes passierte.
Jules verhielt sich zurückhaltend, jedoch nicht unfreundlich gegenüber seiner Mutter und seinem zukünftigen Stiefvater.


Im Oktober feierte er seinen 18. Geburtstag mit all seinen Freunden und weil er durch seine großspurige, kecke Art bei seinen Altersgenossen recht beliebt war, tummelte sich an diesem Tag eine große Schar junger Menschen im Kensington’schen Haus. Nur Jesse war nicht anwesend, denn man war übereingekommen, voreiligen Gerüchten erst mal aus dem Weg zu gehen, da Nelly und Jesse ihre Verlobung noch nicht bekannt gemacht hatten.

Nelly war während der Party im Haus geblieben – sozusagen als „Anstandswauwau“, denn es waren auch mehrere junge Ladys eingeladen worden – und beobachtete das lustige Hin und Her zwischen den jungen Leuten aus gebührendem Abstand.

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Jules unterhielt sich sehr oft und sehr lange mit seiner Tanzstundenpartnerin, Shannon Bradshaw. Nelly musste zugeben, dass diese wirklich ein auffallend hübsches Mädchen war, doch es missfiel ihr, dass ihr Sohn ihr so viel Aufmerksamkeit schenkte.

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Es missfiel ihr sogar sehr, denn diese junge Frau war in ihren Augen nicht der richtige Umgang für Jules. Sie sah älter aus, als sie war, nämlich 18, was daran liegen mochte, dass sie stark geschminkt und sehr freizügig gekleidet war. Was Nelly jedoch mehr an der ganzen Sache störte, war die Art, die Shannon Jules gegenüber an den Tag legte. Sie flirtete völlig offen und ungeniert mit ihm, legte öfters die Hand auf seine Schulter, nahm ihn sozusagen vollkommen in Beschlag. Solch ein Benehmen gehörte sich einfach nicht für ein derart junges Mädchen!
Nelly wollte nicht, dass ihr Sohn sich von einer solchen „Lebedame“ einfangen ließ, die Shannon trotz ihrer jungen Jahre anscheinend schon war. Er würde ihr trotz seiner herausfordernden, forschen Art nicht gewachsen sein.

Als die beiden in den Garten hinausgingen, beobachtete Nelly sie durchs Fenster.

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Sie schienen sich angeregt zu unterhalten und immer wieder lachte Shannon lauthals auf über etwas, das Jules gesagt hatte. Es war offensichtlich, dass sie es darauf angelegt hatte, ihn einzuwickeln, ihm den Kopf verdrehen, ihn in sich verliebt zu machen.

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Nelly passte dies gar nicht.
Sicher, das Mädchen stammte aus gutem Hause, ihre Familie zählte zu einer der angesehensten der Stadt, doch Shannon war die einzige, über alle Maßen verwöhnte Tochter, die immer genau das bekam, das sie wollte – und momentan schien sie sich Julian Kensington in den Kopf gesetzt zu haben!

Am Abend, nachdem alle Gäste sich verabschiedet hatten, bat Nelly ihren Sohn neben ihr auf dem Sofa Platz zu nehmen.

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Stockend brachte sie die Frage, die sie nun schon den ganzen Nachmittag quälte, über die Lippen. „Jules, bist du verliebt in dieses Mädchen?“
Jules sah seine Mutter verblüfft an. „In welches Mädchen?“
„In Shannon Bradshaw natürlich! Sie schien dich heute ja ganz schön am Gängelband zu halten!“ konnte sich Nelly eine kleine Stichelei nicht verkneifen.
Der Junge lachte spöttisch auf. „Mutter, du machst dir wie stets zu viele Gedanken! Lass es sein, ich kümmere mich um meine Angelegenheiten schon selbst. Und keine Frau wird mich je am Gängelband halten – nicht einmal die ‚grandiose’ Shannon Bradshaw! Sie ist ja ohnehin nur ein Maultier im Pferdegeschirr!“

Nach diesem kurzen Gespräch fühlte sich Nelly erleichtert und beunruhigt zugleich, vergaß Shannon jedoch bald wieder, da ihr Sohn wenig schmeichelhaft über sie geredet hatte und weil sie auch in den folgenden Wochen nicht bemerkte, dass Jules weiterhin Kontakt zu dem Mädchen pflegte.

Es wurde langsam Weihnachten und wenige Tage vor dem Fest erhielt Nelly einen Brief.

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Als sie die fremden Poststempel darauf sah, geriet ihr Herz in Aufruhr. Konnte es sein…?
Ja, es war ein Brief aus Afrika!


Sorry, ich hab' zwar versprochen, dass Greg und Leora schon in diesem Teil vorkommen werden, aber es ist erst im nächsten Kapitel so weit.
 
Hallo, gestern ging's sich zwar nimmer aus, aber dafür gibt's jetzt das versprochene, neue Kapitel.


So schnell sie konnte, rannte Nelly ins Haus, ließ sich auf das Sofa fallen und riss den Umschlag mit einer solchen Heftigkeit auf, dass die beigelegten Bilder zu Boden fielen.

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Sie hob sie auf und betrachtete lange Zeit die beiden Fotografien liebevoll und mit wehem Herzen.
Würde sie Gregory, ihren geliebten Sohn und Leora, die sie so fest ins Herz geschlossen hatte, als sei sie ihre eigene Tochter, jemals wieder leibhaftig vor sich stehen sehen, sie umarmen, mit ihnen reden, sie umsorgen können?

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Sie brauchte eine Weile, um die Kraft aufzubringen, den Brief zu lesen, der in Gregorys gestochen scharfer Handschrift abgefasst war.

[FONT=&quot]Liebste Mutter![/FONT]
[FONT=&quot]Hättest du uns auf diesen Bildern wieder erkannt?[/FONT]
[FONT=&quot]Wir sind jetzt seit 3 Monaten in Afrika und die Zeit, die hinter uns liegt, war mehr als aufregend.[/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]
[FONT=&quot]Es tut mir schrecklich leid, dass ich dir nicht früher schreiben konnte, aber wir sind erst vor 2 Wochen sozusagen ‚sesshaft’ geworden. Was davor alles passiert ist, kann ich dir gar nicht ausführlich beschreiben, es würde womöglich ein ganzes Buch füllen.[/FONT]
[FONT=&quot]Nur so viel fürs erste: Wir mussten uns, gleich nachdem unser Schiff im Hafen von Tanger angelegt hatte, auf die Flucht begeben. Mr. Vaughn, der ja nicht nur in England selbst, sondern auch in den Kolonien ein einflussreicher Mann ist, hatte bereits seine Freunde in Tanger mobil gemacht und diese schickten ihre Beamten in Scharen aus, um nach uns zu fanden. Natürlich konnte er nicht wissen, dass wir uns gerade auf diesem Schiff befanden, wahrscheinlich hat er alle Schiffe, die an diesem Tag in Dover ablegten, überprüfen lassen. Am Dampfer hat niemand gewusst, dass wir an Bord waren, die ganze Zeit während unserer Überfahrt haben wir uns versteckt gehalten und nur nachts verließ ich unser dunkles Kämmerlein, um auf Nahrungssuche zu gehen. Als das Schiff schließlich in Tanger anlegte, haben wir uns im allgemeinen Tumult durchgewühlt und sind unbemerkt an Land gegangen. In Tanger selbst konnten wir allerdings nicht lange bleiben, an allen Ecken und Enden wurde nach uns gesucht und des öfteren konnten wir nur knapp entwischen.[/FONT]
[FONT=&quot]Nun ja, und so haben wir uns eben weiter ins Landesinnere durchgeschlagen, immer in Angst vor unseren Verfolgern. Wir übertraten die Grenze – irgendein mitleidiger Bauer hat uns immer aufgelesen und auf seinem Maultiergespann mitgenommen - und gelangten über Algerien schließlich nach Mauretanien. Tja, und hier sind wir nun! Mitten in einer Wüstensteppe im Herzen von Mauretanien – die beginnende Sahelzone ist nicht mehr allzu weit entfernt.[/FONT]
[FONT=&quot]Wir sind hier in einer kleinen Siedlung, die aus mehreren Lehmhütten besteht, untergekommen, doch es gibt auch bereits einige Häuser im Ort, die aus Holz gebaut sind. Und es gibt hier natürlich – wie an jeder größeren Gemeinde – eine Missionsstation. Der Missionsvorsteher – ein Deutscher, der jedoch sehr gut englisch spricht – ist ein wirklich christlicher Mann. Er nimmt den Begriff „Nächstenliebe“ sehr ernst und ist ein toleranter Mensch. Als wir ihm unsere Geschichte erzählten, reagierte er recht praktisch und fragte uns, ob wir nicht hier im Dorf bleiben wollen, um ihm bei seiner Aufgabe zu helfen.[/FONT]
[FONT=&quot]Nein, keine Angst, Mutter! Ich werde mich nicht zum Priester segnen lassen, dafür eigne ich mich nicht, aber ich finde, es ist ein guter Dienst an einer großen Sache. Die Missionare hier sind nicht darauf aus, den Eingeborenen ihre Religion aufdrängen zu wollen. Sie wollen helfen und unterstützen sie tatkräftig bei allen Fragen der Arbeit und des Alltags, sie geben gute Ratschläge, Anleitungen und halten Schulungen ab. Leora und ich sind beeindruckt und wir stehen voll und ganz hinter dieser Sache.[/FONT]
[FONT=&quot]Wir werden wohl eine Zeit lang hier bleiben. Nach Europa und in die USA können wir derzeit nicht zurück und das ist augenblicklich auch gut so, denn so können wir uns voll und ganz auf unsere Aufgabe konzentrieren, den Menschen hier zu einem besseren Leben zu verhelfen.[/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]
[FONT=&quot]Leora ist die Frau, die ich dabei an meiner Seite haben möchte, ich könnte mir keine bessere vorstellen! Wir merken von Tag zu Tag mehr, dass unsere Träume, Wünsche und Lebensziele einander gleichen. Ich danke Gott von Herzen, dass er mich diese Frau finden ließ und ich danke Dir, liebste Mutter und Jesse von Herzen, dass ihr uns dieses Glück ermöglicht habt.[/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]
[FONT=&quot]Schreib mir bald, Mutter, wie es euch ergeht! Umarme Jules von mir und auch Jesse, denn ich weiß bestimmt, dass er an deiner Seite ist.[/FONT]
[FONT=&quot]Leora und ich schicken euch tausend Küsse, wir sprechen oft miteinander über euch und denken noch öfter an euch.[/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]
[FONT=&quot]Viele Grüße![/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]


(Sorry wegen dem mega-langen Brief, aber ich wollte, dass man etwas über Gregs und Leoras neues Leben erfährt und konnte es - für mich - leider nicht kürzer halten, ich hoffe, es ist nicht zu lähmend für euch!)

Tränen liefen über Nellys Wangen.
Es waren Tränen der Freude, dass es Greg und Leora fern der Heimat nun gut ging, doch es waren gleichzeitig auch Tränen der Sehnsucht.

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Jesse, der seit kurzer Zeit als stellvertretender Direktor im größten Hotel der Stadt arbeitete, kam zur Tür herein. Er sah ihr sofort an, dass sie geweint hatte.
Sie zeigte ihm den Brief und er las ihn sorgfältig durch.

Beschwichtigend nahm er Nelly in den Arm.

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„Weine nicht, Nelly! Es ist doch alles gut, mein Herz! Sei glücklich, dass die beiden es geschafft haben und dass sie jetzt in Sicherheit sind. Und sei stolz auf deinen Sohn und sein Mädchen, sie können dort wo sie sind, viel Gutes bewirken. Sie haben ein Ziel vor Augen, für das sie eintreten wollen – sie haben eine Lebensaufgabe gefunden. Wir werden mit dem Herzen immer bei ihnen sein.“

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Er hauchte einen zärtlichen Kuss auf ihre warmen Lippen und wie immer fühlte sich Nelly schon allein durch seine Anwesenheit und Nähe getröstet.
Jesse war so stark, so ruhig – wie ein Fels in der rauen Brandung. Auf ihn war Verlass. Er hielt sich stets im Hintergrund, doch wenn sie eine Schulter zum Anlehnen brauchte, war er immer für sie da.
Dieser Mann – er war IHR Lebensziel, IHR persönlicher Traum, der sich verwirklicht hatte.

Jesse sah seine Angebetete liebevoll an und plötzlich wusste er: Er konnte die paar Tage bis zum Weihnachtsabend nicht mehr abwarten! Heute, hier und jetzt war der richtige Augenblick!

Nelly war völlig perplex, als er sich vor ihr auf die Knie warf. Sie wusste nicht, wie ihr geschah, erst als Jesse ihr eine Schmuckschachtel entgegenhielt, in der ein traumhaft schöner, goldener Ring funkelte und blitzte, dämmerte es ihr, dass der große Moment nun gekommen war, auf den sie schon mehr als ihr halbes Leben lang gewartet hatte.

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„Helenna Ann Kensington! Willst du meine Frau werden?“ stieß er, aufgeregt wie ein kleiner Schuljunge, mit heiserer Stimme hervor.

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Nelly konnte nicht mehr an sich halten und sprang ihm überglücklich in die Arme.
„Ja, das will ich!“ rief sie freudestrahlend und überschüttete ihren Verlobten mit Küssen und zärtlichen Worten.

Als die beiden wieder zu Atem gekommen waren, bewunderte Nelly den glänzenden Ring an ihrer linken Hand.
„Er ist wunderschön, Jesse! Und er ist ein Zeichen unserer Verbundenheit. Jetzt kann uns nichts mehr trennen. Bald bin ich deine Frau und du bist mein Mann, vor Gott und vor aller Welt!“
 
Wow, das mit der Verlobung ist so toll. Endlich haben sie es geschafft!
Aber da habe ich mal eine Frage. Bei der Geburtstagsfeier von Jules hast du geschrieben, dass Jesse nicht anwesend sein konnte, weil die Verlobung noch nicht bekannt gegeben wurde. Da waren sie doch eig schon verlobt, oder?

Und das mit dem Brief von Gregory find ich eine super Idee. Ich fand den auch nicht zu lang oder so. Aber ich hoffe mal, die bleiben nicht für immer in Afrika.. :P

Liebe Grüße und mach weiter so
 
Hey Jula!
Nö, da hast du wohl was falsch verstanden (oder ich hab's ein bissi zu kompliziert gemacht? hmm?), Jules' Geburtstagsfeier war im Oktober und die Verlobung im Dezember
 
Hi Scarlett!
Tut mir Leid, dass ich mich so lange nciht gemeldet habe, wir waren drei Wochen weg und danach war unser Internet futsch:argh:
Nach der Pause produzierst du ja am laufenden Band!:lol: Toll!
Die Bilder und den Brief finde ich einfach nur gelungen und wunderschön! Irgednwie kommt einem Jules im vergleich zu dieser aufgetakelten Shannon fast klein und unschuldig vor!:lol::lol::lol:
lg Iri:hallo:
 
Hallöchen Scarlett,

die beiden Kapitel waren ja superschön gewesen, aber diese Shannon auf Jules seine Feier, ist mir ja sehr unsymphatisch, eine aufgetakelte Tussi. Was findet er an der nur, schrecklich :ohoh:, ich hoffe doch das er nicht auf diese Dame reinfällt die passt ja überhaupt nicht zu ihm.
Den Brief fand ich übringens super schön geschrieben auch nicht zu lang oder so, schön das die beiden da erstmal ihr Glück gefunden haben.
Freu mich schon auf den nächsten Teil.

LG tamfanae :hallo:
 
ach was für eine süße fortsetzung! und in toller heiratsantrag!
tgole fortsetzung!
 
Auch hier, danke für eure Kommis!
Schön, dass euch der Brief gefallen hat, ich hatte nämlich echt die Befürchtung, dass er zu lang und übersichtlich ist und dass das dann keiner liest... aber freu mich!
Und Shannon finden anscheinend die meisten genauso unsympathisch wie ich *g* - aber keine Sorge, sie wird noch unsympathischer *gg*!
 
Feuer im Herzen - Hochzeitsvorbereitungen

In den folgenden Monaten steckte Nelly bis über beide Ohren in Hochzeitsvorbereitungen.
Sie hatte 42 Jahre alt werden müssen, um sich zu fühlen, wie eine aufgeregte, glückselige junge Braut!

In ihrer Erinnerung tauchten verschwommen Szenen ihrer Hochzeit mit Edward auf. Die Jahre, die inzwischen vergangen waren, hatten diesen Tag fast aus ihrem Gedächtnis gelöscht.

War sie damals glücklich gewesen?
Sie war nicht verliebt in Edward gewesen, das wusste sie, doch sie war ihm dankbar, dass er sie aus ihrem armseligen Dasein holte, in dem das Einbringen des täglichen Brots ständig ein harter Kampf war.


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Immer mehr Gedankensplitter an ihren Hochzeitstag tauchten aus der Vergangenheit auf.
Sie hatte nicht gewollt, dass er ihr ein Brautkleid schenkte und so zog sie ihr bestes Kleid an, das immer noch so schäbig war, dass sie sich auf der kleinen Feier, die Edward für die Leute, die auf dem Gut arbeiteten, arrangierte, in Grund und Boden geschämt hatte.


Und heute? Sie konnte wählen zwischen dem weichsten Samt und der feinsten Seide.
Die Ehe mit Edward war zwar niemals so gewesen, wie eine Frau es sich erhoffte - Enttäuschung, Demütigung, Gewalt und Hass hatten ihren gemeinsamen Weg gepflastert - doch immerhin war diese Verbindung in einer Hinsicht lohnenswert gewesen: Nelly war nun eine wohlhabende Frau.



Dafür, und für die beiden Söhne, die er ihr geschenkt hatte, dafür und für nichts anderes sonst war sie ihrem verstorbenen Mann dankbar.

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Nelly beschloss, das Buch ihrer Vergangenheit endgültig zuzuklappen und nur noch in die helle, lichte Zukunft, die an Jesses Seite vor ihr lag, zu blicken.



Im Juni sollte ihre Hochzeit stattfinden und an ihrem Glückstag wollte Nelly so aussehen, wie sie sich fühlte: jung, strahlend, verliebt und lebensfroh.

Was ist für eine Braut – egal welchen Alters – wichtiger als die Wahl des passenden Hochzeitskleides?

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Auch Nelly war hierbei nicht anders und ließ sich von den überschwänglichen Plänen ihrer Schneiderin nur zu gerne anstecken.


Sie probierte ein Modell nach dem anderen. Die Entscheidung fiel ihr schwer, denn eines gefiel ihr besser als das andere…


Wie rasch die Wochen bis dahin doch vergingen!

Nellys Kopf war voll gefüllt mit Plänen. Es sollte zwar keine große Hochzeit werden, sondern nur eine kleine Feier mit denen, die ihr und Jesse nahe standen, aber Nelly wollte, dass dieser Tag unvergesslich bleiben würde und legte sich ordentlich dafür ins Zeug.

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Jules belächelte sie etwas spöttisch, wenn sie abends an ihrem Escritoire saß und ihre Ideen und Vorstellungen schriftlich festhielt.


Die Nachricht von ihrer bevorstehenden Hochzeit hatte er so aufgenommen, wie er auch alles andere aufnahm: gelassen, unbeteiligt und wie es schien, ziemlich gelangweilt.


Manchmal fühlte sich Nelly mitschuldig an seiner Unfähigkeit, Freude im Leben zu empfinden. Alles was er bekam, langweilte ihn rasch wieder, an Zielen, die er erreichte, konnte er sich nicht erfreuen.
Auch die Liebe seiner Mutter schien ihm nichts zu geben. Nelly empfand seine Anwesenheit so, als würde ein höflicher, charmanter Fremder neben ihr in diesem Haus leben und nicht ihr Sohn.


Sie wusste auch nichts von ihm. Sie kannte zwar einige seiner Freunde, aber sie wusste nicht, wo er hinging, wenn er nachmittags das Haus verließ und sie wollte ihn auch nicht fragen, denn er hätte es ihr ohnehin nicht gesagt.


Hätte sie von den Unternehmungen ihres Sohnes gewusst, wäre sie entsetzt, ja geradezu schockiert gewesen!

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So aber blieb sie völlig ahnungslos und bedauerte nur, dass Jules anscheinend überhaupt keinen Wert auf ein gewisses Maß an Familienleben legte.


To be continued...
 
Feuer im Herzen - Der große Tag


Am Morgen des 16. Juni 1922 wachte Nelly früh am Morgen mit einem beglückenden Gefühl auf.

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Der große Tag war herangebrochen!
Heute war es soweit! Sie würde dem Mann ihres Lebens ihr Ja-Wort geben.

Den Vormittag verbrachte Nelly in einem Zustand zwischen Himmel und Hölle.
Einerseits schwebte sie auf Wolke 7, andererseits war sie so nervös, dass sie sich am liebsten jeden ihrer sorgfältig zurechtgemachten Fingernägel bis auf die Nagelhaut abgekaut hätte.

Gegen Mittag trafen dann die wenigen Gäste ein, die sie geladen hatten.
Nellys Vorbereitungen waren perfekt. Es war für vorzügliche Speisen und Getränke gesorgt, die Dekoration war sehr stimmungsvoll und romantisch und eine erstklassige Band spielte im Hintergrund gefühlvolle Musik.

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Es war eine Hochzeit wie aus dem Märchen – darin waren sich alle Gäste einig, als sie lange nach Mitternacht das Fest verließen.
Braut und Bräutigam hatten so jugendlich und verliebt ausgesehen, als seien sie 20 und nicht schon beide über 40 Jahre alt.

Diese Braut und dieser Bräutigam bestiegen nun, erschöpft aber unendlich glücklich, ihr gemeinsames Ehebett und verbrachten die erste Nacht als rechtmäßig angetrautes Paar.

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„Ab jetzt gehören wir für immer zusammen, mein Liebling!“ hauchte Jesse sanft in Nellys Ohr.
„Bis dass der Tod uns scheidet…!“ vollendete Nelly den Satz, denn sie war sich sicher, nichts als der Tod konnte sie beide je voneinander trennen.

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Am nächsten Morgen – es war ein Sonntag – frühstückten Nelly und Jesse gemeinsam mit Jules.
Dabei kam natürlich die Sprache auf die Hochzeit. Die beiden Frischverheirateten schwärmten vom gestrigen Tag, nur Jules kaute wortlos und mürrisch an seinem Toast herum.

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Jesse wollte ihn ins Gespräch mit einbeziehen und fragte ihn lächelnd
„Na, wie fandest du die Party gestern, mein Sohn?“

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Jules sprang, wie von der Tarantel gestochen, von seinem Sessel auf und funkelte Jesse zornentflammt an.
Sein Gefühlsausbruch war jedoch nicht von langer Dauer, er hatte seine Wut in Sekundenschnelle wieder im Griff und musterte sein Gegenüber ruhig, aber mit einem verächtlichen Blick.


„Nenn mich nicht ‚mein Sohn’! Nur weil du meine Mutter geheiratet hast, bedeutet das noch lange nicht, dass ich dich als meinen Vater ansehe. Ich habe nur einen Vater – und der ist leider tot.“
Sprach er – und verschwand, wie so oft in letzter Zeit, aus dem Haus ohne zu sagen, wohin.

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Nelly und Jesse blickten ihm verdutzt hinterher.
Keiner von beiden konnte sich erklären, was in dem Jungen vorging.
Jesse hatte schon öfter zu ihm „mein Sohn“ gesagt, was aber nicht bedeutete, dass er an die Stelle seines richtigen Vaters treten wollte. Es war einfach nur eine Art der Anrede, ein Ausdruck des Wohlwollens eines älteren gegenüber einem wesentlich jüngeren Mann und bisher hatte Jules auch nichts dagegen gehabt.


Warum er nun deswegen so erbost war, konnte er sich nicht erklären. War es deswegen, weil er, Jesse, nun wirklich und wahrhaftig der rechtmäßige Lebenspartner seiner Mutter war? Hatte Jules etwa bisher gehofft, dass es nicht so weit kommen würde?

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Nelly blickte entschuldigend zu Jesse, der erregt aufgestanden war, auf.


„Er hat es nicht so gemeint, Darling. Ich gebe zu, sein Verhalten ist in letzter Zeit etwas seltsam und undurchschaubar geworden, aber ich glaube, er mag dich und bisher hatte ich auch den Eindruck, dass ihr euch recht gut versteht. Er wird wohl im Moment nur etwas verwirrt sein. Es ging ihm wohl alles zu schnell in den vergangenen Monaten. Wir müssen ihm Zeit lassen, sich an die veränderte Situation zu gewöhnen.“

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Jesse wollte Nelly nur zu gerne glauben, aber instinktiv spürte er, dass mit dem Jungen etwas nicht stimmte. Er verbarg irgendein Geheimnis…
 
Oh man! Es ist immer so schön, wenn man deine Kapitel liest. Ich komm mir immer vor, als ob ich nen gutes Buch am Computer lese. :)
Ich find es grade so spanned. Ich will unbedingt wissen, was noch mit Jules wird. Mir kams von Anfang an schon so vor, als ob er was plant oder so. :P
Und die Hochzeit fand ich auch voll schön. Endlich haben sie es doch noch geschafft! Ich freu mich schon auf die nächsten Kapitel! :D
Liebe Grüße
 
Hy Jula,

DANKE!!!!
Voll lieb von dir!
Ja, ja, Jules plant etwas... näheres wird noch nicht verraten, kommt dann aber bald in einem der nächsten Kapitel.
 
Wow, die beiden Teile waren wieder sehr schön, besonders die Hochzeit. Nelly sah einfach toll aus, find sie hat sich auch ein bißchen verändert seit sie ihren Jesse wiederhat. Sie sieht so glücklich aus, auf den letzten beiden Foto's sieht sie sehr hübsch aus. Das Jules so reagiert war ja klar, er kommt halt ganz nach seinem Vater. Auf das Geheimnis von Jules bin ich schon sehr gespannt.
Freu mich schon auf dennächsten Teil.

LG tamfanae :hallo:
 
Hallo, nett euch endlich wiederzu...-hm? ...sehen kann man nicht sagen, also "wiederzulesen" nach dieser langen Zeit *gg* - zumindest ist es mir endlos lang vorgekommen, bis ich endlich wieder meiner Lieblingsfreizeitbeschäftigung - meine "literarischen Ergüsse" hier ins Forum stellen - nachgehen kann. Hoffe, die folgenden Teile werden nicht zu langweilig für euch sein!


Die darauf folgende Zeit war eine sehr ereignisreiche im Leben des frisch vermählten Ehepaares Richards.
Jesses Vorgesetzter trat seine Pension an und empfahl Jesse, seinen Stellvertreter, dessen Kompetenz er sehr schätzte, als Nachfolger für die freigewordene Stelle als Hoteldirektor.
Jesse, der in jungen Jahren nicht besonders ehrgeizig gewesen war, hatte mit den Jahren immer mehr Freude daran gewonnen, die Karriereleiter hochzuklettern und sein Leistungswille war mit der Höhe seiner jeweiligen Position immer weiter gestiegen. Nun, mit 43 Jahren war er Direktor des größten und renommiertesten Hotels von New Orleans, wo es an luxuriösen Hotels sicherlich keinen Mangel gab.


Die neue Stellung brachte ihm ein sehr ansehnliches Einkommen, aber natürlich gleichzeitig auch ein stark erhöhtes Pensum an Pflichten und Verantwortung ein. Besonders in der Zeit der Einarbeitung war er mehr im Hotel als zuhause.

Jeden Morgen verließ er früh das Haus und es wurde meist später Abend, bis er wiederkam.

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Nelly war deswegen nicht böse, sie freute sich für ihren Ehemann, doch …, nun ja, … ein bisschen einsam fühlte sie sich schon.


Jesse verwirklichte sich selbst im Beruf, Jules traf man kaum noch zuhause an, Gregory und Leora waren sowieso weit, weit weg und im Haus schalteten und walteten mehrere Angestellte, so dass für Nelly kaum noch Aufgaben übrig blieben.

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Sie hätte dieses müßige Leben genießen können, wie die meisten anderen Ehefrauen ihrer Gesellschaftsschicht es auch taten.
Morgens lange schlafen, den Vormittag bei der Schneiderin zur Anprobe von neuen, extravaganten Modellkleidern verbringen, genüsslich den Lunch einnehmen, danach ein ausgedehntes Mittagsschläfchen halten, den Nachmittag mit gleichgestellten Freundinnen beim Bridge mit Tee und Törtchen verbringen und abends den lieben Gatten in vollendeter Aufmachung freudestrahlend begrüßen.

Doch solch ein Lebensstil entsprach nun ganz und gar nicht Nellys Wesen und ihren Vorstellungen. Ihr Geist und ihre Phantasie waren zu lebhaft, ihre Natur zu aufgeweckt, als dass sie sich tagein, tagaus dem völligen Müßiggang hingeben konnte.
Sie hatte sich in den letzten Jahren ein hohes Maß an Bildung selbst angeeignet, doch das war ihr nicht genug!
Ihr wacher Verstand verlangte danach, gefördert zu werden. Ihr Wissenshunger strebte nach stets neuer Nahrung.

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Sie las in dieser Zeit Unmengen von Büchern, verschlang sie geradezu. Doch auch das reichte ihr nicht aus. Sie brauchte eine Aufgabe, die sie mitriss, die sie forderte, bei der sie ihren Scharfsinn und ihren Intellekt einsetzen konnte.


Eines Nachmittags, es war ein grauer, wolkenverhangener Novembertag mit, für die normalen Wetterverhältnisse, erstaunlich niedrigen Temperaturen, hielt Nelly es nicht mehr zuhause aus.

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Die einzigen Geräusche, die durch das stille Haus drangen, waren das monotone Ticken der Standuhr und ein leise Stimme aus der Küche: Debbie, das Küchenmädchen, summte beim Geschirrabwaschen eine melancholische Melodie, von der sie den Text nicht kannte, vor sich her.

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Nelly glaubte, schier wahnsinnig zu werden, wenn sie noch länger in diesem trüben Halbdunkel des kostbar eingerichteten Salons sitzen bliebe. Es zog sie hinaus. Sie wollte unter Menschen sein. Unter „richtigen“ Menschen, nicht unter den höflich-kühlen Masken, die wohl in weniger als einer Stunde bei ihr zum Kartenspielen eintreffen würden.

Sie kümmerte sich nicht darum, wie ihre Frisur saß und warf nur den einfachen, schon etwas mitgenommenen Mantel über, den sie heute Morgen bei der Gartenarbeit getragen hatte und den nun an einigen Stellen dunkle Flecken von Erde zierten.

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Dann verließ sie ihr prachtvolles Haus im Villenviertel und machte sich zu Fuß auf Richtung Innenstadt.
 
find es auch schön wieder von Dir zu lesen das Forum war ja lange fort,
Kapitel war wieder sehr schön ist zwar nicht viel passiert aber das gehört ja auch nun mal dazu, bin mal gespannt wann es mal wieder was neues von Gregory und Leora gibt
freu mich schon auf den nächsten Teil

LG tamfanae :hallo:
 
jaaaa, das Forum ist wieder in Betrieb und deine Story geht weiter *froi* Kann eigtl. nur sagen was Tamfanae schon gesagt hat;)
weiter so!
lg irisa:hallo:
 
...was Nelly in der Stadt erleben wird?
Lest mal schön *g*....



Lange, viel zu lange, war sie nicht mehr auf eigene Faust losgezogen. Wenn sie es sich recht überlegte, wusste sie kaum etwas über das Leben in diesem Land.
Natürlich, sie las Zeitungen und sie wusste, was es mit der sogenannten „Separate but equal“-Regelung in den Südstaaten auf sich hatte: „Getrennt, aber gleich“ war ein sozialer und juristischer Grundsatz in den Vereinigten Staaten, doch sie selbst war bisher noch niemals persönlich mit diesen Gesetzen in Berührung gekommen.


Die Ehe mit Edward hatte sie vor den Ausgrenzungen bewahrt, die für andere Menschen afroamerikanischer Herkunft Alltag waren.
In den Jahren dieser Ehe war sie kaum aus dem Haus gekommen und wenn, dann nur in Begleitung von Edward, der es meisterhaft verstand, sie vor der Realität abzulenken und abzuschirmen.


Natürlich wusste sie, dass die weiße Bevölkerung in ihrem Land noch immer auf ihre dunkelhäutigen Mitbürger herabsah, doch was sie an diesem Nachmittag, als sie mit offenen Augen und aufmerksamen Verstand durch New Orleans spazierte, mitbekam, erschütterte sie. Niemals hatte sie geglaubt, dass die „Rassentrennung“ so scharf durchgezogen wurde.

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Sie sah öffentliche Transportmittel oder hygienische Einrichtungen wie Wasserspender und öffentliche Toiletten, die mit Hinweisschildern gekennzeichnet waren, dass ihre Benutzung strikt nach der Hautfarbe getrennt war.
Sie, als Schwarze, durfte nicht dasselbe WC am Bahnhof benutzen wie die hellhäutige Dame vor ihr. Nein, sie musste ein Stück weiter nach hinten gehen, wo die separaten Toiletten für die Schwarzen standen.

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Ein paar Straßen weiter fiel ihr eine staatliche Schule auf, an deren Eingangstür in großen, prangenden Buchstaben ein Schild mit der Aufschrift „Nur für Weiße“ hing.
Nellys Söhne und auch die Kinder all ihrer Bekannten besuchten privaten Lehranstalten, waren früher sogar von Hauslehrern unterrichtet worden, deswegen war für Nelly die Erkenntnis, dass man es weißen Kindern nicht zumuten wollte, mit ihren dunkelhäutigen Altersgenossen in einer Klasse zu sitzen, ein regelrechter Schock.

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Nelly hasste sich fast selbst dafür, dass sie bisher in ihrem goldenen Käfig gesessen war und sich nicht um die Probleme und Themen, mit denen sich ihre Mitmenschen ständig auseinandersetzen mussten, gekümmert hatte.

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Bedrückt und verwirrt stolperte sie immer weiter durch die Straßen, vorbei an drängenden Menschen verschiedener Hautfarben, die alle eilig und beschäftigt wirkend auf irgendein Ziel zustrebten.
Sie alle hatten dieselben Wünsche, dieselben Träume, dieselben Sehnsüchte – doch irgend etwas veranlasste sie dazu, zu denken, dass sie dennoch nicht gleich waren.
Sie waren alle Menschen – sollte wirklich nur die Tatsache, dass der eine eine andere Hautfarbe hatte als der andere, ausschlaggebend dafür sein, dass eine tiefe Kluft zwischen ihnen bestand, dass gegenseitiger Hass und Verachtung zwischen ihnen existierte?

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Vor einem großen öffentlichen Platz blieb Nelly schließlich atemlos und aufgeregt stehen.
Eine große Menschenmenge hatte sich hier versammelt und beim genaueren Hinsehen stellte Nelly fest, dass es fast ausschließlich Schwarze waren, die mit selbstgemalten Transparenten auf und ab gingen.


Es schien eine Demonstration im Gange zu sein, die sich genau gegen die Dinge richtete, über die sie sich eben bei ihrem Spaziergang so erregt hatte – die Rassentrennung.

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Nelly drängte sich näher heran und wurde fast augenblicklich mitgerissen von der wogenden Menge, die sie in sich aufnahm und sie immer weiter schob. Die Parolen, die vorgetragen wurden, waren nicht feindselig, sie forderten nur in einem gleichmäßigen, fast harmonischen Sing-Sang nach „Einheit statt Trennung“.

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Ohne es zu wissen, war Nelly in eine Versammlung der Pioniere der späteren Bürgerrechtsbewegung gegen die Rassentrennung geraten – und schlagartig war sie selbst zu einer von ihnen geworden!

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Begeistert und angeflammt von ihren Ideen dachte Nelly nicht daran, sich aus den Reihen zu lösen.
Die Lethargie die sie in den vergangenen Monaten erfasst hatte, schien wie abgeschüttelt. Sie fühlte sich mit einem Mal lebendiger als je zuvor. Sie erkannte, dass dies ein Ziel war, für das es sich zu kämpfen lohnte, dass die Erreichung dieses Zieles eine Aufgabe war, die ihr Denken und Handeln völlig in Anspruch nehmen konnte.
Eine Aufgabe fürs Leben!

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Sie sah sich aufmerksamer um, ließ ihre Blicke schweifen – da fiel ihr Auge auf eine blonde Hochsteckfrisur, die zu einer sehr hellhäutigen Frau gehörte.
"Seltsam, dass gerade eine Weiße sich in diese Demonstration eingereiht hat", dachte Nelly.

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Im selben Augenblick wandte sich die Dame um und blickte genau in Nellys Gesicht.


„MARY!
„NELLY!“

Mehr als 20 Jahre waren vergangen, in denen sie sich nicht mehr gesehen hatten, doch dem gegenseitigen Wiedererkennen und der Freude darüber tat dies keinen Abbruch.

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Mary, ihre einzige Freundin aus den Anfangszeiten ihrer Ehe mit Edward! Die hübsche, kleine Mary, die damals fast noch hilfloser gewesen war, als sie selbst!
Die blitzblauen Augen, das schöne, weiche blonde Haar – sie musste mittlerweile auch schon 40 sein, doch sie sah fast noch aus wie damals. Nur ihre sanften Gesichtszüge hatten sich verändert.

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Ihre Wangenknochen waren hohler und ihre Mimik wirkte energisch und willensstark.

„Was machst du hier, Mary?“ fragte Nelly so erstaunt, dass Mary lachen musste.

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„Tja, was mache ich hier? Ich bin das Haupt dieses Grüppchens, sozusagen ‚die Anführerin der Revolution’!“
 
Endlich ist das Forum wieder eroeffnet, so dass man deine FS weiter lesen kann! :)
Du hast wieder 2 echt schoene Kapitel reingetsellt. Es ist toll, dass Nelly eine Aufgabe gefunden hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie was bewirken kann, auchw enn sie auf Hindernisse stossen wird!
Ich bin echt gespannt, was noch alles passiert. An sich ist ja alles echt spannend, mit ihrem einem Sohn in Afrika und dem anderen, der was ausheckt!
Mach weiter so! :D
 
Nelly war neugierig, wie es dazu gekommen war, dass sich die eingeschüchterte kleine Mary, die sie von früher kannte in diese selbstbewusste, starke Frau, die sie jetzt war, verwandelt hatte.

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Wenig später saßen die beiden Frauen vor einer dampfend-heißen Tasse Tee beisammen, um sich ihre steif gefrorenen Glieder aufzuwärmen und einander zu erzählen, wie ihr jeweiliger Lebensweg in den Jahren, die sie voneinander getrennt hatten, verlaufen war.

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„So, Edward weilt also auch nicht mehr unter den Lebenden!? Nun, du warst ja fast eben so unglücklich in den Anfangszeiten deiner Ehe mit ihm wie ich mit Harold. Nur musstest du Ärmste das Martyrium noch länger ertragen als ich. Mein Mann starb bereits, nachdem wir erst 5 Jahre verheiratet waren. Gott verzeih mir meine Aussage, aber ich war nicht unglücklich darüber!“

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Du erinnerst dich bestimmt noch an all die blauen Flecken, die damals meinen ganzen Körper zierten. Ich war erleichtert, als er starb, aber ich habe mir nie anmerken lassen, wie sehr ich ihn hasste.
Er starb in meinen Armen und ich glaube, er dachte bis zum Schluss, ich sei die ideale Ehefrau: demütig, gehorsam, nie aufmuckend.
Und ich war es auch! Äußerlich. Insgeheim habe ich ihn zur Hölle gewünscht. Doch immerhin hat er mir das Haus und sein gesamtes Vermögen vermacht, wir hatten keine Kinder – ein, in meinen Augen, gerechter Ausgleich dafür, was er mir in den Jahren unserer Ehe angetan hat. Ich bin versorgt, ich brauche nicht viel Geld für mich selbst, aber mein Reichtum hilft mir dabei, anderen zu helfen und für eine Sache zu kämpfen, die viel Unterstützung braucht.“

Als Nelly an diesem Abend nach Hause ging, war sie recht nachdenklich gestimmt, aber auch innerlich von einer gelassenen Zufriedenheit erfüllt. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie konnte das, was sie heute miterlebt hatte, nicht einfach so hinnehmen. Sie hatte ein Ziel vor Augen, das es wert war, ihre Arbeitskraft, ihren Verstand und ihr Herz zu investieren.

Jesse, liebender Ehemann der er war, konnte seiner Gattin ihren Wunsch natürlich nicht abschlagen, außerdem hatte die Vereinigung, deren Anführerin Mary war, sich bereits durch ihre friedlichen, aber vehementen Aktionen einen guten Ruf geschaffen.

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Jesse hieß es also gut, dass seine Ehefrau sich daran beteiligte.

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In letzter Zeit hatte er sich ohnehin schon Sorgen gemacht, weil sie ihm unzufrieden erschien und ihre Tage unausgefüllt waren.

Nur Jules war entsetzt, als ihm seine Mutter begeistert von ihren Plänen erzählte.
„Du willst dich doch nicht lächerlich machen, Mum!?“

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„Wogegen willst du eigentlich kämpfen? Es gibt nichts, worüber du dich so echauffieren musst! Ich selbst bin ein Schwarzer und habe genügend weiße Freunde, werde in ihre Häuser eingeladen, feiere mit ihnen Partys. Es gibt keine Unterschiede!“

Nelly blickte ihren Sohn erstaunt an. Sie hätte ihn nicht für so bläuäugig gehalten. Doch im selben Augenblick fiel ihr ein, dass er – genau wie sie selbst – bisher nichts von der rauen, wirklichen Welt, die draußen vor ihrem Villenviertel herrschte, mitbekommen hatte.

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„Es GIBT Unterschiede, Jules! Wir haben es nur bisher nicht bemerkt, weil wir in der Gesellschaftsklasse, der wir dank dem Geld deines verstorbenen Vaters angehören, eingeschlossen sind. In den sogenannten „höheren Kreisen“ ist die Hautfarbe vielleicht kein Thema, aber für den Mann, die Frau, das Kind da draußen ist es sehr wohl ein Thema, mit dem sie jeden Tag aufs Neue konfrontiert werden!“

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Sie sah ihm an, dass er ihre Meinung nicht teilte, doch daran war sie ja bereits gewöhnt. Jules war mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden und was um ihn herum und über seinen kleinen Horizont hinaus passierte, interessierte ihn nicht.

Als Jules ihr wortlos den Rücken zukehrte, um – wie inzwischen fast jeden Abend – auszugehen, blieb Nelly traurig am Küchentisch sitzen.

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Wie konnte es sein, dass sie zwei so völlig verschieden geartete Söhne zur Welt gebracht hatte?


Der eine kümmerte sich um überhaupt nichts, das nicht seinen engsten Kreis betraf und der andere schien die Last der ganzen Welt auf seine Schultern zu nehmen.

Heute Abend, als sie nach Hause gekommen war, hatte sie nämlich einen langen Brief von Greg im Postkasten vorgefunden.

[FONT=&quot]„Liebste Mutter![/FONT]
[FONT=&quot]Es ist nun nahezu anderthalb Jahre her, dass wir einander nicht mehr gesehen haben. Wie sehr ich dich vermisse, brauche ich dir wohl nicht zu beschreiben – gerade jetzt, wo das Weihnachtsfest wieder so kurz bevor steht.[/FONT]
[FONT=&quot]Unsere Station hier läuft gut. Nahezu jeden Tag steht eine neue Familie vor unserer Tür, die unsere Hilfe benötigt. Fast wird es uns allen hier schon ein wenig zu viel – die Menschen hier sind sehr arm und besitzen meist nicht einmal das Lebensnotwendigste. Doch wir helfen allen gerne, obwohl es uns selbst an Vielem mangelt, das wir so notwendig brauchen würden. Zum Beispiel Medikamente! Mr. Kraus, der deutschstämmige Missionsvorsteher, der wirklich wahre Wunder bewirkt und es immer wieder schafft, aus irgendwelchen verborgenen Quellen das herbeizuholen, worauf wir ansonsten monatelang warten müssten, ist selbst schon am Rande der Verzweiflung und weiß oft weder ein noch aus.[/FONT]
[FONT=&quot]Die Menschen hier wehren sich gegen die Kolonialisierung durch die Franzosen, es gibt viele aufständische Gruppierungen, einige kriegerische Nomadenstämme lehnen sich mit zähem Widerstand gegen die französische Kontrollmacht auf. Sie kämpfen für ihre Unabhängigkeit und die Situation gerät von Tag zu Tag mehr aus den Ufern.[/FONT]
[FONT=&quot]Wie gerne würden wir ihnen beistehen, doch wir können nur das Notwendigste geben: Essen, Kleidung, ein Dach über dem Kopf für ein paar Nächte.[/FONT]
[FONT=&quot]Ihre Freiheit können wir ihnen nicht geben, doch es ist ein stolzes Volk und eines Tages – er kann nicht mehr in allzu weiter Ferne liegen - werden sie erreichen, wofür sie eintreten, wofür sie ihr ganzes Herzblut geben: Ihre Autonomie und ihre Unabhängigkeit von der Fremdherrschaft![/FONT]
[FONT=&quot]Ich will diesen Tag miterleben – und zwar hier, inmitten der Ereignisse![/FONT]
[FONT=&quot]Doch nun zu etwas anderem, Mutter, das dich bestimmt mehr interessieren wird als die politische Situation in Mauretanien: Ich weiß, mit wie viel Liebe und Sorge du am Schicksal von Leora und mir teilnimmst, deshalb glaube ich, es ist deiner Aufmerksamkeit auch sicher nicht entgangen, zu wissen, dass Leora im kommenden Februar ihren 21. Geburtstag begehen wird. Da sie mit diesem Zeitpunkt ihre Volljährigkeit erreicht und nicht mehr die Unterschrift ihres Vaters braucht, um irgendwelche Dokumente zu unterzeichnen, wird der 15. Februar 1923 der Tag unserer Hochzeit sein. Ja, du hast richtig gelesen, Mutter! Leora wird bald meine Frau sein![/FONT]
[FONT=&quot]Freust du dich mit uns? Bestimmt tust du das! Denke an diesem Tag mit besonderer Liebe an uns, noch mehr als du ohnehin schon immer mit deinem Herzen bei uns bist. Wir werden dich besonders an unserem Ehrentag schmerzlich vermissen, doch wenn wir unsere Aufgabe hier guten Gewissens abschließen können und dieses Land, das wir so lieb gewonnen haben, als freies Land verlassen können, steht einem Wiedersehen nichts mehr im Wege.[/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]
[FONT=&quot]Tausend Umarmungen von deinem Sohn[/FONT]
[FONT=&quot]Gregory[/FONT]​
[FONT=&quot]und deiner zukünftigen Schwiegertochter[/FONT]
[FONT=&quot]Leora[/FONT]​


Die Briefe, die Gregory aus Afrika schrieb, waren jedes Mal wochenlang unterwegs, bis sie sie erreichten und jedes Mal, wenn sie ein Kuvert mit fremdartig anmutenden Briefmarken und Poststempeln erhielt, war Nelly aufgeregt wie ein kleines Mädchen.
Sie nahm größten Anteil an den Ereignissen, die Greg und Leora in ihrer neuen Heimat erlebten.
Nun würden sie also bald heiraten!

Die Wochen vergingen wie im Flug. Das Weihnachtsfest wurde – wie immer – feierlich begangen, das erste Mal mit Jesse als Nelly’s Ehemann an ihrer Seite.


Das neue Jahr brach an und brachte für jedes der Familienmitglieder neue Aufgaben und Tätigkeitsbereiche.
Jesse hatte vor, das Hotel, dem er als Direktor vorstand, zu vergrößern und komfortabler und luxuriöser auszustatten, so dass er alle Hände voll zu tun hatte mit der Planung.


Nelly widmete sich mit Inbrunst ihren Pflichten als Mitglied des „Vereins zur Aufhebung der Rassentrennung“ und entwickelte gemeinsam mit ihrer Freundin Mary ständig neue Projekte und Entwürfe.


Jules…, na ja, Jules… sollte sich eigentlich auf seine Aufnahmeprüfung am College vorbereiten.
Er war ein gescheiter junger Mann und seine Mutter wünschte sich, dass er Jura studieren sollte. Das Problem war nur: Jules wusste zu diesem Zeitpunkt bereits mehr, als seine Mutter wusste und gab sich deswegen nicht die geringste Mühe beim Lernen. Er würde es nicht notwendig haben, einen Beruf zu ergreifen und deshalb hing er öfter seinen Vergnügungen nach, als ihm eigentlich gut tat.


Am Nachmittag des 15. Februars 1923 war Nelly allein zu Hause. An diesem Tag wollte sie von allen Pflichten entbunden sein und nur daran denken, was Tausende von Kilometern weit entfernt von ihr vor sich ging: Die Hochzeit ihres älteren Sohnes!
Tränen der Freude, aber auch der Sehnsucht traten in ihre Augen. Wie gerne wäre sie jetzt an Gregory’s Seite gewesen und hätte dabei zugesehen, wie er mit Leora den Bund fürs Leben schloss!
Mit jeder Faser ihres Herzens war sie an diesem Tag bei ihnen.

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Doch das Leben ging weiter und bestimmt würde sie das glückliche junge Ehepaar in nicht allzu ferner Zukunft wieder sehen.

Ende März erhielt Nelly wieder einen Brief aus Afrika und sie riss ihn mit aller Hast auf.

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[FONT=&quot]„Es grüßen: Das frischvermählte Paar Gregory und Leora Kensington.[/FONT]
[FONT=&quot]Gott hat uns zusammengeführt und nur Gott kann uns noch trennen.“[/FONT]

Tränen der Freude rannen über Nelly’s Gesicht, als sie das Hochzeitsfoto des jungen Paares, das dem Brief beigelegt war, betrachtete.

Sie wünschte ihnen alles Glück dieser Welt und war stolz darauf, dass die beiden ihren Weg so zielstrebig gingen.

Besonders in diesen Tagen, da Jules immer aufsässiger wurde, immer frecher und fauler, war Nelly recht froh darüber, dass sie wenigstens in Gregory einen Sohn hatte, der etwas aus seinem Leben machte und nicht, wie sein jüngerer Bruder, ständig auf irgendwelchen Partys herumschwirrte.


Oho, Nelly wusste genau, was in den Salons der jugendlichen Upper-Class von New Orleans vor sich ging, wenn zum „Nachmittagstee“ geladen wurde, doch sie konnte ihrem Sohn nicht verbieten, daran teilzunehmen, denn erstens gehörten die Eltern der einladenden Jugendlichen zur höheren und höchsten Gesellschaft der Stadt und zweitens wurde Jules bald 20 Jahre alt und ließ sich ohnehin von keinem mehr etwas sagen.

Wenn Nelly die Mitglieder ihres „Vereins zur Aufhebung der Rassentrennung“ zu sich nach Hause einlud, damit sie ihre monatlichen Besprechungen abhalten konnten, flüchtete Jules jedes Mal aus dem Haus.

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Doch es war ohnehin nur mehr ein Ausnahmezustand, dass man ihn daheim – und nun gar beim Lernen – antraf.

So verging wieder einige Zeit.


Trotzdem dass Jesse und Nelly von ihren jeweiligen Aufgaben sehr in Anspruch genommen wurden, führten die beiden eine wundervolle Ehe, denn die Zeit, die ihnen gemeinsam verblieb, nutzten sie ausgiebig und legten großen Wert auf ihre Zweisamkeit.

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Wenn nicht die Sache mit Jules gewesen wäre – Nelly hätte ihr Leben als vollkommen glücklich bezeichnen können.


So aber kreisten ihre sorgenvollen Gedanken oft um ihren jüngeren Sohn, der sich immer mehr zu seinem Nachteil entwickelte und von Tag zu Tag mehr seinem Vater zu gleichen schien in seiner aufbrausenden, ungestümen Art, seinem wachsenden Zynismus und seiner Jähzornigkeit.

Weihnachten 1923 verbrachte er nicht zuhause bei seiner Mutter und seinem Stiefvater.

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Am späten Nachmittag des Heiligen Abends hatte er seinen Mantel übergeworfen, hatte ein murmelndes „Fröhliche Weihnachten“ in den Raum geworfen und war hinaus in die Kälte verschwunden, bevor irgend jemand ein Wort an ihn richten konnte.

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Nelly versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie traurig und enttäuscht sie über das Verhalten ihres Sohnes war, aber ihr Mann kannte sie zu gut, um nicht zu wissen, wie nahe es ihr ging und auch ihm selbst passte diese Sache ganz und gar nicht.


Er betrachtete Jules Benehmen als persönlichen Affront.
Anfangs waren sie noch leidlich gut miteinander ausgekommen, doch seitdem er und Nelly verheiratet waren, bereitete ihnen der Junge nichts als Probleme.

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Jesse ahnte, dass Jules nicht so unbeschäftigt war, wie er es vorgab. Er ahnte, dass der junge Mann etwas im Schilde führte… - doch was konnte das wohl sein?

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Jules war ein gewiefter Kerl und ließ sich nicht in die Karten blicken…
 
So, ich hab' noch einen weiteren Teil geschafft - ich denke, jetzt wird's ein bisschen interessanter.
Aber vorher muss ich noch eine Warnung abgeben: Es gibt nackte (Sims)Haut zu sehen!



Obwohl Jules sich nicht sonderlich viel Mühe gegeben hatte bei den Vorbereitungen auf die Aufnahmeprüfung, erhielt er im Frühjahr 1924 die Nachricht, dass er am „St. James-College“ in Columbia ab November einen der begehrten Studienplätze an der juristischen Fakultät belegen konnte.

Nelly war unglaublich stolz auf ihren Jüngsten.

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Er war inzwischen zu einem wirklich gut aussehenden jungen Mann geworden und sie hoffte nichts mehr, als dass nun, da sein Erwachsenenleben bald begann, er seine rotznäsige Art ablegen und Vernunft annehmen würde.

Auch Jesse gratulierte ihm auf das Herzlichste zu diesem Etappenerfolg.

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Jules selbst schien der einzige in der Familie zu sein, den die gute Nachricht nicht sonderlich interessierte.

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Er tat es mit einem Achselzucken ab und murmelte „Zuerst kommt der Sommer! Dann werden wir weitersehen…!“

Tatsächlich genoss er den Sommer in vollen Zügen.
Die Pferderennen, die Segeltörns, die Herrenabende beim Kartenspiel mit gutem Whiskey, die Gartenpartys mit den hübschesten Frauen von ganz South Carolina, die Hausbälle bei seinen Freunden, wo schon mal ein besonders guter Stoff die Runde machte und die Festlichkeiten daher meist einen recht exzessiven Ausgang mit sehr leicht bekleideten jungen Damen und Herren nahmen…
All das war die Szenerie, in der sich der junge Julian Kensington bewegte.
Es war eine ausgelassene, leichtlebige, frivole Gesellschaft. Jeder von ihnen besaß mehr Geld, als er trotz eines noch so extravaganten Lebensstils ausgeben konnte. Sie waren die „Jeunesse dorée“ von New Orleans, einer Stadt, in der Vergnügungen jeglicher Art ohnehin von jeher schon großer Stellenwert zugeschrieben wurde.

Im September gab Richie Anson eine Party im riesigen Haus seiner Eltern, die sich zu der Zeit auf einer Bildungsreise befanden und wenn Richie Anson eine Party gab, folgte natürlich die gesamte wohlhabende Jugend der Stadt seiner Einladung.

Jules war gerade dabei, einige Drinks zu mixen, als sein bester Freund Richie auf ihn zutrat und ihm auf die Schulter schlug.

„Na, mein Alter! Der große Tag naht mit Riesenschritten, was?“

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Die beiden jungen Männer grinsten einander zu.

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„In ein paar Wochen bin ich frei, Richie! Das schreit nach Champagner! Lass uns darauf anstoßen!“ rief Jules übermütig.

Gleich darauf wurde er abgelenkt, denn Shannon tauchte auf und wie immer, wenn sie einen Raum betrat, zog sie alle Blicke auf sich.

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Sie trug das aufregendste Kleid, das Jules je an einem weiblichen Wesen gesehen hatte und richtete ihren feurigen Blick sofort auf ihn.
Jules wusste, dass ihn alle anderen Männer in diesem Saal darum beneideten, dass die volle Aufmerksamkeit der schönen Shannon Bradshaw ihm, ihm allein, galt.
Er fühlte sich als der Glücklichste unter den Sterblichen, dass eine Göttin wie sie ihn auserwählt hatte.
Alles, wirklich alles hätte er für sie getan. Sie brauchte nur mit dem Finger zu schnippen und er erfüllte ihr jeden Wunsch.

Er konnte kaum seine Augen von ihr abwenden und erst ein freundschaftlicher Stoß in die Rippen von Richie erweckte ihn aus seinem Trancezustand.

„Ich glaube, diese Lady will tanzen – und zwar mit dir, mein Junge!“ lachte er und schob Jules in Shannons Richtung hin.

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„Guten Abend, mein Darling!“ begrüßte sie ihn mit ihrer tiefen, erotischen Stimme und umfing ihn mit den, für sie typischen, katzenartig-sanften Bewegungen.

Wie immer, wenn sie ihn berührte, wurde ihm heiß und kalt zugleich. Um sich abzulenken und den brennenden Wunsch zu unterdrücken, sie an Ort und Stelle auszuziehen und sie zu lieben, schlug er einen gemeinsamen Tanz vor.

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Sie legten einen „Charleston“, den neuesten Modetanz, aufs Parkett und erneut war Jules fasziniert von Shannons lasziv schwingenden Hüften.

Als sie ihm wenig später ins Ohr hauchte „Lass uns von dieser Kinderparty hier abhauen! Komm mit zu mir und machen wir, was Erwachsenen Spaß macht!“, war er natürlich sofort Feuer und Flamme...

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Der Morgen graute bereits heran, als Jules sich nach wunderschönen Stunden in Shannons breitem Bett aufmachen wollte, um nach Hause zu gehen.

„Julian, Darling! Musst du wirklich schon gehen? Ich wünschte, wir müssten uns niemals trennen und könnten für immer zusammen sein“, schmollte sie.

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Jules kannte dies schon von ihr, dennoch schmolz er dahin.

„Bald, mein Schatz! Bald ist es soweit, dass wir nicht mehr auseinander gehen müssen. Wir müssen nur noch ein paar Wochen abwarten“, tröstete er sie.

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Shannon drehte sich wohlig seufzend auf die Seite.

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„Ich freue mich so sehr, Julian! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr!“

Jules lächelte verständnisvoll. Frauen! Sie konnten einer Entscheidung nie mit der nötigen Geduld entgegensehen!

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Abrupt wandte sich Shannon wieder zu ihm um und ihr schönes Antlitz trug plötzlich einen scharfen Ausdruck, als sie fragte: „Du hast doch wohl deine ganzen Angelegenheiten schon geregelt? Es wird doch keine Hindernisse mehr geben, oder?“

„Du empörst mich etwas, meine liebe Shannon!“ erwiderte er, leicht gekränkt.

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„Seit Monaten, ach was, seit Jahren schon, befasse ich mich mit nichts anderem und jetzt stellst du mir solche Fragen! Natürlich ist alles geklärt.“

„Und wann wirst du es ihnen sagen?“ Sie konnte schon wieder lächeln und er gab ihr Lächeln zurück.

„An meinem 21. Geburtstag! Genau an diesem Tag lasse ich die Bombe platzen!“ antwortete er mit selbstzufriedener Miene.

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Das klingt alles echt spannend! Ich finde es so toll, wie du die ganze Geschichte aufbaust. So geht die Spannung nie verloren und man will immer weiter lesen.
Mach am besten schnell weiter! ;)
 
wow, da warst ja fleißig, soviel zu lesen, die Kapitel warn ja wieder super, na auf die Bombe bin ich ja schon gespannt die Jules da platzen läßt, mußtest auch an der spannendsten Stelle aufhören, menno
bin schon ganz gespannt auf den nächsten Teil

LG tamfanae :hallo:
 
Hallo, die Spannung hat ein Ende...
Viel Spaß bei der Fortsetzung!


In den darauf folgenden wenigen Wochen bis zu Jules’ 21. Geburtstag war die Atmosphäre in der Villa der Kensingtons gespannt.
Besonders Jesse spürte, dass etwas in der Luft lag und sich ein bevorstehendes Unheil abzeichnete. Von der Katastrophe, die sie erwartete, konnte er jedoch nichts ahnen und deshalb versuchte er, seine Vorahnungen sogar vor sich selbst herunterzuspielen. Mit Nelly sprach er gar nicht über das, was ihn bedrückte. Er wollte sie nicht beunruhigen – vielleicht stellte sich ja heraus, dass sich die Spannungen in Luft auflösten!
„Mach dich nicht verrückt, Mann! Nur weil sich der Bursche noch präpotenter benimmt als je zuvor? In weniger als zwei Monaten ist er auf der Universität und du bist ihn endlich los und kannst mit Nelly ein gemütliches, trautes Leben führen!“ redete Jesse sich selbst ein.

Natürlich blieb es auch Nelly nicht verborgen, dass sich Jules zur Zeit aufführte wie ein Pascha und unerträglicher war als je zuvor. Sie schrieb dieses Verhalten seiner Nervosität vor dem neuen Lebensabschnitt, der ihn erwartete, zu, konnte bei sich selbst allerdings ebenfalls eine gewisse Erleichterung, dass ihr Sohn bald dieses Haus verlassen würde, nicht verleugnen.

Jules machte es ihnen nicht leicht und so sehnten seine Mutter und sein Stiefvater den Tag herbei, an dem er 21 wurde und endlich sein Studium an der Universität in Columbia antreten konnte.
Auf die Bombe, die just an diesem Tag platzen würde, wie Jules es sich bereits fest vorgenommen hatte, war also keiner von beiden vorbereitet…

Nelly hatte Jules gefragt, ob er an seinem Geburtstag eine Party geben wolle, so wie er das eigentlich in den vergangenen Jahren immer getan hatte.
Aus seiner Antwort „Nein, ich möchte diesen besonderen Tag nur mit dir und Jesse verbringen“ schöpfte sie Hoffnung, dass es mit der Beziehung zwischen ihnen wieder aufwärts ging.

Der 18. Oktober 1924 sollte als ein denkwürdiger Tag in die Kensington’sche Familiengeschichte eingehen!

Jules verbrachte den Vormittag auswärts und kam erst gegen Mittag nach Hause, als seine Mutter und sein Stiefvater gerade bei einem kleinen Lunch in der Küche saßen.

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„Tag allerseits!“ trat er, charmant lächelnd, näher.
Nelly wollte gerade aufspringen, um ihren, nun erwachsenen, Sohn zur erlangten Volljährigkeit zu gratulieren, doch dieser winkte nur, leicht verächtlich, ab.

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„Lass nur, Mutter! Bleib sitzen! Ich habe euch etwas zu sagen und ich denke, ihr könnt meine Nachricht leichter im Sitzen verdauen.“
Er selbst blieb jedoch stehen und mit kalter, geschäftsmäßiger Stimme und einem Lächeln auf den Lippen, das Nelly im Nachhinein nur als „höhnisch“ bezeichnen konnte, begann er seine wohlformulierte Rede.

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„Mit dem heutigen Tag bin ich 21 Jahre alt geworden und habe somit meine Volljährigkeit erreicht – aber das wisst ihr ja.
Was ihr dagegen noch nicht wisst: Ich werde in wenigen Tagen heiraten!“

Ob dieser Neuigkeit erntete Jules sehr erstaunte Blicke.

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Nelly und Jesse hatten bisher nicht mitbekommen, dass er sich zu einem Mädchen besonders hingezogen fühlte – jedenfalls nicht so sehr, dass er es heiraten wollte!
Sie waren beide so verblüfft, dass es ihnen die Sprache verschlug.
Jules grinste.
„Ich sehe es euch an, dass es euch brennend interessiert, wer denn die Glückliche ist. Nun, es ist kein Geheimnis: Shannon Bradshaw wird nächsten Samstag meine Frau.“

Erneut wollte Nelly aufspringen, diesmal vor Schreck. Diesmal war es Jesse, der sie zurückhielt. Er wusste, dass dies nicht alles gewesen war, was Jules ihnen sagen wollte. Und er hatte recht!

„Natürlich möchte ich Shannon ein, unserem Stand entsprechendes Heim bieten, schließlich ist sie aus ihrem Elternhaus einigen Luxus gewöhnt. Und deshalb werde ich mit meiner zukünftigen Frau dieses Haus hier bewohnen.“

In ihrer Verblüfftheit reagierte Nelly sehr naiv, als sie leise sagte: „.Ich wusste zwar nicht, dass du und Shannon …, ich meine…, dass ihr… - nun, wenn du sie wirklich liebst und heiraten willst, könnt ihr selbstverständlich eine Zeitlang hier wohnen bleiben, bis ihr etwas Hübsches gefunden habt. Aber was wird aus deinem Studium?“

Jesse warf seiner Frau einen fragenden Blick zu. Konnte es wirklich sein, dass sie noch immer nichts ahnte?

So sanft, wie es ihm unter aller Aufbringung seiner Willenskraft in dieser Situation möglich war, versuchte er, ihr die Wahrheit beizubringen, die er längst wusste.

„Nelly, Liebling! Was Jules uns sagen möchte, ist: Er will mit seiner jungen Frau in dieses Haus hier einziehen und wir sollen gehen!“

Entsetzt riss Nelly die Augen auf.

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„Aber… - aber das ist doch nicht möglich!“ rief sie. „Ich lebe seit Ewigkeiten hier. Hier habe ich meine Kinder aufgezogen. Und außerdem…. Edward hat mir dieses Haus hinterlassen. In seinem Testament stand, dass ich hier bis an mein Lebensende das Wohnrecht habe. Das Haus gehört mir!“

„Irrtum, Mutter!“ fiel Jules in ihre aufgeregte Verteidigung ein.

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„Du scheinst die Klausel übersehen zu haben, die Vaters Testament beinhaltet. Ich darf zitieren…“

Er holte eine Kopie des letzten Willen seines Vaters hervor und begann zu lesen.

„…vermache ich die, in meinem Besitz befindliche Immobilie Nr. 1234, Livington Road 114, … New Orleans, … Bundesstaat Lousiana, Vereinigte Staaten der USA meiner Ehefrau Helena Ann Kensington mit allem darin befindlichen Mobiliar. Im Falle einer Wiederverheiratung besagter Helena Ann Kensington nach meinem Ableben, überträgt sich das Erbrecht für besagte Immobilie automatisch an meinen Sohn Julian Christopher Kensington, das dieser in diesem Falle mit dem Tag seiner Volljährigkeit antreten kann.“

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Jules lächelte. Ein leises, hintergründiges Lächeln.
„Du siehst also, Mutter, mein Vater kannte dich sehr gut und ahnte, dass du, kaum dass er unter der Erde sei, dich wieder verheiraten würdest. Du hast dich, als er gestorben war, so in Sicherheit gewogen, dass du bei der Testamentseröffnung gar nicht richtig aufgepasst hast – auch Gregory nicht. Ich aber habe auf jedes einzelne Wort, das der Notar damals verlesen hat, geachtet! Ich wusste, dass mein Vater mich nicht im Stich lassen würde! Er hat mich sehr geliebt – im Gegensatz zu dir, denn du liebtest ja immer nur Gregory.
Jahrelang habe ich auf diesen Tag gewartet! Nun kann ich dir endlich heimzahlen, dass du stets und ständig Gregory bevorzugt hast! Dass für mich nicht einmal ein Bruchteil von der Liebe, die du für ihn hegtest, auf mich abgefallen ist!
Ab dem heutigen Tag gehört dieses Haus mir – übrigens auch das gesamte Vermögen, das Vater hinterlassen hat. Möchtest du, dass ich dir auch diese Klausel noch vorlese? Alles, was mein Vater aufgebaut hat, gehört mir und ich möchte, dass du, gemeinsam mit deinem Gatten, auf der Stelle mein Haus verlässt!“

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Nelly wollte ihren Ohren nicht trauen. Das konnte ihr Sohn doch nicht ernst meinen?!
Jahrelang hatte sie in diesem Haus gelebt. Ihre Kinder zur Welt gebracht. Für ihre Familie gesorgt. Die Demütigungen und Schläge ihres ersten Mannes über sich ergehen lassen. Dieses Haus barg unzählige Erinnerungen in sich. Viele schlimme aber auch viele schöne.

Sie hatte sich für eine reiche Frau gehalten, seit Edward gestorben war. Nun war sie mit einem Schlag fast mittellos.

Es war mehr als sie verkraften konnte, ihr Blick verzerrte sich, ihre Beine schwankten bedenklich und ihr passierte, was in dieser Situation wohl am Besten für sie war…

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… zum ersten Mal in ihrem Leben fiel sie in eine tiefe Ohnmacht.

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*lachen muss*=) Sie ist ohnmächtig? Sieht aus, wie wenn sie nur mal eben auf dem Boden entspannen würde *g*
Nee mal ernsthaft, tolle Fortsetzung!! Nur eine Frage habe ich noch. Sie ist ja nciht mittellos, sie ist mit einem Hoteldirektor verheiratet, der einen guten Lohn bekommt, oder nicht?
Hach, ich freue mich schon diebisch darauf den Krieg zwischen Shannon und Jules mitzuerleben, denn dass es Krieg geben wird, ist (für mich zumindest) klar;)
lg, Irisa:hallo:
 
:o
Das ist ja der Hammer! Ich hätte echt nicht gedacht, dass Jules so etwas seiner Mutter antun könnte.
Vor allem hat doch dann auch Greg kaum noch geld, oder?
Ich bin total gespannt, wies weitergeht.
Und ich muss Irisa zustimmen. Bei Shannon und Jules wird sicher auch noch was passieren!
LG
 
Hi hi, ja, das Bild wo Nelly ohnmächtig ist, ist mir nicht sonderlich gut gelungen, muss ich zugeben!
Na, und wegen "mittellos", das kommt im nächsten Teil eh, aber nur vorweg: Sie haben halt nicht viel Erspartes, alles was Nelly hatte ist ja weg.
 
@Jula: Hey, ja klar wird da noch was passieren, aber das kommt erst ein bissi später. Vorerst haben Jules und Shannon sich ja noch lieb und heiraten mal... aber "das Glück ist a Vogerl"...
 
Endlich WOCHENENDE!!!
Auf zum neuen Kapitel...



Als Nelly wieder aus ihrer Ohnmacht aufwachte, befand sie sich in einem, ihr unbekannten Zimmer und trug ihr Nachthemd.

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Jesse stand abwesend am Fenster und starrte in die dunkle, sternenklare Nacht hinaus.

Er schien tief in Gedanken versunken zu sein, denn als Nelly hinter ihn trat, musste sie ihn zwei Mal beim Namen rufen, um sich bemerkbar zu machen.

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Als er sich zu ihr umdrehte, trug sein Antlitz einen schmerzlich verzerrten Ausdruck und er hielt sich die Hand vor Augen, damit sie die Angst, die ihm ins Gesicht geschrieben stand, nicht auf Anhieb sehen konnte.

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„Wo sind wir, Jesse?“ fragte sie leise.

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„Wir sind im Hotel, in dem ich arbeite, Liebste. Zum Glück war noch ein Zimmer frei, in das ich dich bringen konnte. Aber ab nächster Woche sind wir ausgebucht, nicht ein einziges Bett steht dann für uns zur Verfügung.“

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„Ach Nelly, was sollen wir bloß tun? Wo sollen wir hin? Wir können nicht hierbleiben! Auch ich als Direktor muss das Zimmer bezahlen und du weißt, dass ich nicht unbedingt viel Erspartes besitze!“

Diesmal war es an Nelly, ihren Mann in den Arm zu nehmen. So viele Male hatte er ihr schon geholfen, sie getröstet, sie aufgemuntert – nun musste sie die Starke sein, denn seine Verzweiflung war mit Händen greifbar.
Er hatte ihr immer so vieles zu geben gehabt – alles außer Geld. Bisher war dies unwichtig gewesen. Nelly hatte genug davon besessen, so viel, dass es keine Rolle spielte.
Und plötzlich war sie eine mittellose Frau!
Sie besaß nichts außer ein paar hundert Dollar, die sie noch in ihrer Handtasche trug und Jesse besaß noch weniger. Das Geld, das er in den letzten Monaten als Hoteldirektor verdient hatte, hatten sie in die Renovierung des Hauses gesteckt. Des Hauses, das jetzt Jules gehörte.

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Nelly umarmte und streichelte ihren Mann sanft und schlang ihre Arme beschwichtigend um ihn, um ihm etwas von seiner Verzagtheit zu nehmen.
„Wir schaffen das schon, Liebster!“ flüsterte sie mit einer Zuversicht, die sie selbst nicht empfand.
Sie hatten alles verloren und doch waren sie sich in dieser Nacht im Hotel noch viel näher als jemals zuvor.
Nun galt es, das Versprechen, das sie einander am Traualtar gegeben hatten, einzulösen.
„… in guten wie in schlechten Zeiten!“

Dieser Satz bedeutete auf einmal viel mehr als ein traditioneller Trauungsspruch.
Die schlechten Zeiten waren keine Illusion mehr, sondern die raue, unbarmherzige Wirklichkeit.

Als der Morgen anbrach, trat Jesse seinen Dienst im Hotel an und Nelly blieb allein auf dem Zimmer zurück.
Sie hoffte inständigst, dass Jesse erreichte, was er sich vorgenommen hatte: Er wollte heute mit dem Eigentümer des Hotels sprechen und um einen Vorschuss auf sein Gehalt bitten, um so schnell wie möglich die Kaution für ein kleines Häuschen, das sie anmieten konnten, hinterlegen zu können. Nur mal für den Anfang, alles weitere würde sich dann ergeben.

Der Plan gelang. Jesses Vorgesetzter zögerte nicht einen Augenblick und streckte seinem Angestellten eine ausreichend hohe Summe vor.
Nachdem Jesse an diesem Tag Dienstschluss hatte, begaben er und Nelly sich in die Vorstadt auf die Suche nach einer Unterkunft.
Das Glück war ihnen hold und sie konnten ein kleines, mintfarbenes Häuschen ergattern, das ihnen beiden auf Anhieb gefiel.

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Gewiss, es war sehr bescheiden, doch in ihrer momentanen Situation erschien es ihnen wie der Himmel auf Erden, dass das Haus frei stand und der Vermieter bereit war, es ihnen für eine geringe Miete für ein halbes Jahr zu überlassen. Noch am selben Abend bezahlten sie die Anzahlung, unterzeichneten den Mietvertrag und schon am Morgen darauf machte sich Nelly, während Jesse bei der Arbeit war, daran, ihr neues Heim wohnlich zu gestalten. Möbel, wenn auch bescheidener Bauart und recht spärlich angeordnet, waren vorhanden.

Mit ein paar Blumen und einigen Dekorationssachen gelang es Nelly, aus den etwas kahlen Räumen ein gemütliches Zuhause zu schaffen.

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Der Zwangsauszug aus der Kensington-Villa tat ihr zwar leid, weil viele ihrer Erinnerungen an diesem Haus hingen, doch eigentlich vermisste sie die düsteren, dunklen Räume überhaupt nicht.
Was ihr jedoch in jenen Tagen am meisten zu denken gab und ihr Gewissensbisse verursachte, waren Jules’ Worte.
„Ich wusste, dass mein Vater mich nicht im Stich lassen würde! Er hat mich sehr geliebt – im Gegensatz zu dir, denn du liebtest ja immer nur Gregory.
Jahrelang habe ich auf diesen Tag gewartet! Nun kann ich dir endlich heimzahlen, dass du stets und ständig Gregory bevorzugt hast! Dass für mich nicht einmal ein Bruchteil von der Liebe, die du für ihn hegtest, auf mich abgefallen ist!“

Insgeheim musste sie sich nämlich eingestehen, dass Jules nicht ganz unrecht damit hatte. Gregory hatte ihrem Herzen immer näher gestanden als ihr jüngerer Sohn.
Schon als Kind hatte Jules etwas an sich gehabt, das ihr unheimlich war. Er ähnelte zu sehr seinem Vater, er war zu keck, zu vorwitzig… - was auch immer es gewesen war: Nelly hatte für Jules nie dieselbe Mutterliebe empfunden, wie für seinen älteren Bruder.
Das musste der Junge gespürt haben und er hatte irgendwann einen Hass auf sie und Gregory entwickelt, der mit den Jahren immer stärker geworden war.
Er fühlte sich herabgesetzt – deshalb hatte er nun, in seinem übermäßigen Geltungsdrang – zum Gegenschlag ausgeholt, als Ausgleich dafür, was er über all die Jahre hinweg vermisst hatte.
Nelly dachte in diesen Tagen sehr viel nach und kam zu dem Entschluss, dass gegenüber Jules keinen Zorn aufbringen konnte.
Im Gegenteil – sie konnte vieles nun besser verstehen. Jules tat ihr leid und sie hätte nur zu gerne viele Fehler, die sie an ihm begangen hatte, wieder gut gemacht. Doch dafür war es jetzt wohl zu spät.

Sie hoffte nur für ihn, dass er mit Shannon glücklich werden würde, obwohl sie gleichzeitig daran zweifelte, dass dieses ehrgeizige Mädchen die richtige Ehefrau für ihn sein würde. Jules brauchte eine Frau an seiner Seite, die warmherzig und vernünftig war, die in ihn in seinem überschäumenden Größenwahn bremste und auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

Nelly wusste nicht viel von Shannon, aber dass diese solche Eigenschaften nicht besaß, dessen war sie sich sicher.

Nichtsdestotrotz ließ Nelly es sich nicht nehmen, der Hochzeit von Jules und Shannon, die am darauffolgenden Samstag im Garten der Kensington’schen Villa stattfand, beizuwohnen – wenn auch nur als heimliche, versteckte Beobachterin, denn eine Einladung hatten sie und Jesse selbstverständlich nicht erhalten.
So verbarg sich Nelly also hinter dem dichten Blätterwerk der riesigen Weide im Vorgarten, und hoffte, dass sie unentdeckt bleiben würde.

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Die Hochzeitsgesellschaft war heiter und richtete ihre gesamte Aufmerksamkeit auf das üppige Buffet und den teuren Champagner, so dass niemandem die Frau, die das muntere Treiben aus gebührender Entfernung beobachtete, auffiel.

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Shannon’s gesamte Verwandtschaft war anwesend und viele Freunde des jungen Brautpaares. Der Garten war einfach wundervoll dekoriert und man hatte sogar Tische und Sessel im Freien aufgestellt, denn es war ein wirklich sonniger, warmer Tag, obwohl es bereits Oktober war.

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Nelly konnte die Tränen nicht unterdrücken, als sie aus ihrem Versteck mit ansah, wie Jules und Shannon sich das Ja-Wort gaben und einander die Ringe an die Finger steckten.

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Sie hatte immer davon geträumt, bei den Hochzeiten ihrer Söhne dabei zu sein, um ihnen alles Glück der Erde zu wünschen, doch weder bei Gregorys noch bei Jules Trauung war ihr dies vergönnt.
 
Endlich WOCHENENDE!!!
Oh ja, da stimm ich dir echt zu! :)
Und ich finde es beginnt auch echt toll, mit einem neuem Kapitel!
Ich bin echt froh, dass Nelly und ihr Mann ein neues Haus gefunden haben und ich finde auch, dass es echt schön aussieht.
Aber das sie bei keiner Hochzeit ihrer Söhne dabei sein kann, ist wirklich schade. Vor allem bei Gregory.
 
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na da hat Jules ja ne tolle Bombe platzen lassen, sowas ähnliches hab ich mir schon gedacht, er ist doch wirklich wie sein Vater, aber im Grunde hat er ja recht mit dem Vorwurf zu wenig oder gar keine Liebe von seiner Mutter bekommen zu haben nur kann sie ja eigentlich auch nicht's dafür schließlich hatte ihr Mann ihr ja auch den Sohn entzogen und sie durfte ihn ja auch nicht erziehen
bin gespannt wie es weitergeht

LG tamfanae :hallo:
 
Als bei der anschließenden Party der Champagner in Strömen zu fließen begann und die Gäste übermütig wurden, schlich Nelly sich so leise und unauffällig, wie sie gekommen war, wieder davon.


Diese Menschen, zu denen Jules jetzt gehörte, gefühlsmäßig wohl schon immer gehört hatte, stießen sie ab.
Sie waren laut und ordinär. Eine Gesellschaft, die mit Geld um sich schmiss, als gäbe es kein Morgen mehr. Frivol und anspruchsvoll. Sie erwarteten nicht mehr vom Leben, als dass es so blieb, wie es war. Dass es immer genug Champagner zum Trinken, genug Kaviar und französische Gänseleberpastete zum Essen, genug hübsche Damen und genug charmante Herren zum Tanzen und zum Flirten und für ein Techtelmechtel gab.
Keiner von ihnen dachte an morgen, geschweige denn, verschwendete einen Gedanken an gestern. Sie lebten im Hier und Heute und sie bemerkten nicht, was um ihren kleinen, geschlossenen Kreis herum vorging.


Überschwängliche Lebenslust und Gewissenlosigkeit gegenüber Benachteiligteren war ihr Markenzeichen – eine Einstellung, die so sehr im Widerspruch zu Nellys Gedankengut stand, dass es sie fast vor Ekel schüttelte, wenn sie an die neue, angeheiratete Verwandtschaft ihres Sohnes dachte.

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Jules allerdings schien sich sehr wohl im Kreis der Familie seiner Frau zu fühlen. Sie passten besser zu ihm als seine sozial engagierte Mutter, als sein mildtätiger Bruder, als Jesse – sein Stiefvater, der täglich für ein, nicht sonderlich hohes Gehalt, einer Arbeit im Angestellten- und somit Abhängigkeitsverhältnis nachging.

Nelly beschloss, die Dinge zu lassen, wie sie waren. Es war Jules’ Leben und – auch wenn er, ihrer Meinung nach, blindlings ins Verderben rannte – es war seine Entscheidung, sein Wille, diesen Weg zu gehen.

In den folgenden Wochen und Monaten richtete Nelly ihr und Jesses neues Heim noch gemütlicher ein, so dass sie es sich beide abends, nach getaner Arbeit und nach Erledigungen aller Pflichten so richtig gemütlich und wohlig machen konnten.

Voller Harmonie und Eintracht saßen sie dann gemeinsam auf ihrem hübschen Sofa und lasen einander aus ihren Lieblingsbüchern vor.

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Oder sie kuschelten sich einfach eng aneinander und redeten die halbe Nacht hindurch. Der gemeinsame Gesprächsstoff ging ihnen nie aus – es war, als wären diese beiden Menschen füreinander geschaffen.

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Nelly lauschte auch gerne, wenn Jesse ihr auf dem Klavier vorspielte. Die schönsten Balladen hatte er in seinem Repertoire und er spielte jedes Lied für sie voller Innigkeit.

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Kurz und gut – die beiden führten ein erfülltes und glückliches Eheleben miteinander.
Einziger Wermutstropfen in dieser Harmonie war das Fehlen der Kinder und Enkel.

Jawohl – auch Enkel, denn Nelly war inzwischen Großmutter geworden!

In den ersten Tagen des Jahres 1925 war im Hause Richards wieder ein Brief aus fernen Gefilden eingetroffen und Nelly hatte seinen Inhalt kaum fassen können, denn monatelang war keine Post aus Afrika eingelangt und sie hatte nichts von Leoras Schwangerschaft geahnt. Und nun plötzlich diese freudige Nachricht!

„Liebe Mutter! Lieber Jesse!
Freut euch mit uns, denn uns ist ein Glück widerfahren, das man kaum so schön zu beschreiben kann, wie es in Wirklichkeit ist: Leora und ich sind seit wenigen Tagen stolze Eltern einer bezaubernden kleinen Tochter!
Die Schwangerschaft war für meine liebe Frau sehr schwer. Sie fühlte sich die ganze Zeit über nicht sehr gut und wir wussten bis zum Schluss nicht, ob unser Baby gesund zur Welt kommen würde, denn mit der medizinischen Versorgung hier steht es nicht zum Besten. Deshalb verzeiht uns auch, dass wir so lange nichts von uns hören ließen. Wir wollten euch auch nicht beunruhigen und Hoffnungen in euch erwecken, die dann vielleicht zerstört würden. Aber nun hat sich – dem Himmel sei Dank – ja alles zum Guten gewendet und unser Töchterchen hat gesund und quicklebendig das Licht der Welt erblickt!
Wir haben sie auf den Namen „Nahemia Melanie“ getauft. Der Name „Nahemia“ bedeutet in Afrika „Gott hat getröstet“ – und jedes neue Leben spendet hier, wo man täglich unzählige Menschen sterben sieht und wenig genug dagegen tun kann, Trost. „Melanie“ ist aus dem Griechischen und heißt „die Schwarze“. Dieser Name ist uns spontan eingefallen, als wir unser Baby das erste Mal zu Gesicht bekamen, denn sie besitzt – auch wenn ihre Hautfarbe eher hell ist – ebenholzschwarzes Haar und sehr dunkle, intensive Augen.
Eigentlich sieht sie weder mir, noch Leora, noch irgend jemanden sonst aus unserer Familie ähnlich – sie ist wirklich etwas Besonderes! Ich wünschte, ihr könntet sie leibhaftig sehen – ihr wäret gewiss genau so entzückt von unserer süßen Kleinen, wie Leora und ich es sind.

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Anbei das erste Bild von unserer glücklichen kleinen Familie. Möge Gott seine schützenden Hände über all unsere Lieben breiten.“

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„Oh Jesse! Ich bin ja so glücklich!“ jubelte Nelly und warf sich vor lauter Freude ihrem Mann in den Arm.

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„Ich bedauere nur dich, mein Liebster“, lächelte sie verschmitzt und Jesse blickte sie verblüfft an.
„Weshalb, mein Schatz? Ich freue mich doch genauso wie du über das Baby!“
Nelly lachte. „Weil du nun mit einer Großmutter ins Bett gehen musst.“

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„Oh, ich Ärmster!“ jammerte Jesse schelmisch um wenig später, als sie gemeinsam in ihrem breiten Ehebett lagen, hinzuzufügen „mit keiner anderen Frau würde ich lieber das Bett teilen, als mit der schönsten, faszinierendsten Großmutter der Welt.“

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Die Zeit verging.

Nelly verfolgte die Anforderungen, die sich ihr als Mitglied des „Vereins zur Aufhebung der Rassentrennung“ stellten, mit einer energischen Zielstrebigkeit, die alle, die sie kannten, nicht zuletzt sie selbst, erstaunte.
Die Gruppierung fand immer mehr Zulauf und immer neue Anhänger und gemeinsam erreichten sie vieles, das sie sich vornahmen. Doch immer noch gab es genug, wofür sie mit ihren sanften Mitteln kämpfen mussten, da war immer noch so viel, was einer Besserung bedurfte – die Aufgaben gingen ihnen nie aus und Nellys Engagement in dieser Sache brachte ihr großen Beifall von vielen Seiten ein. Sie wurde niemals müde, für ihre Grundsätze einzustehen und – wenn nötig – von Pontius zu Pilatus zu laufen, um zu erreichen, was sie sich vorgenommen hatte.
In dieser Zeit lernte sie viele wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft kennen – und auch sie selbst wurde bekannt wie ein bunter Hund.
Selbst diejenigen, die ihr und ihren Plänen nicht wohlgesinnt gegenüberstanden, brachten der zielbewussten, scharfsinnigen Frau, die ihr 45. Lebensjahr bereits überschritten hatte und dennoch fast noch aussah wie ein blühendes junges Mädchen, eine – wenn auch widerstrebende – Bewunderung entgegen.
Wenn man es so nahm, hätten diese Jahre die glücklichsten und erfülltesten in Nellys Leben sein können.
Sie sah gut aus, hatte einen wundervollen Ehemann, der sie über alles liebte und auf Händen trug, sie hatte jede Menge Freunde, die ihre Ansichten teilten und ihren Einsatz unterstützten…

Was ihr zu ihrem vollkommenen Glück jedoch fehlte und was sie bei ihren gleichaltrigen Freundinnen immer mehr beneidete, war die Freude daran, in das Leben ihrer Kinder integriert zu sein, ihre Enkelkinder aufwachsen zu sehen, mit ihnen zu spielen, ihnen Geschichten vorzulesen, große Familienfeiern auszurichten und inmitten einer großen, lauten Verwandtschaft das Älterwerden zu genießen. Diese Familienbande fehlten Nelly so sehr, dass sie oft traurig ihren Gedanken nachhing und sich vor lauter Sehnsucht fast verzehrte.

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Im Spätsommer des Jahres 1925 war Nelly zum zweiten Mal Großmutter geworden. Auch diesmal konnte sie ihr Enkelkind nicht aus der Nähe bewundern und umhätscheln, obwohl die frischgebackenen Eltern der kleinen Ann-Alice Kensington in der selben Stadt lebten, wie sie und Jesse. Jules und Shannon veranstalteten anlässlich der Taufe ihres ersten Kindes ein rauschendes Fest – nahezu die halbe Stadt war anwesend, nur Nelly und Jesse erhielten bloß eine förmliche Geburtsanzeige, ohne eine persönliche Zeile.

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„Shannon und Julian Kensington geben als stolze Eltern die Geburt ihrer ersten Tochter, Ann Alice, bekannt.“

Weiter nichts!

Da man in derselben Stadt lebte, war ein zufälliges Begegnen auf der Straße manchmal unvermeidbar, wenn Jules und seine Frau sich auch größte Mühe gaben, Nelly und Jesse tunlichst aus dem Weg zu gehen und die Straßenseite zu wechseln, wenn sie die beiden auftauchen sahen.

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Nur aus der Ferne konnte Nelly beobachten, wie ihr kleines Enkelkind im Kinderwagen spazieren gefahren wurde, denn auch das Kindermädchen des jungen Ehepaares Kensington hatte die Anweisung bekommen, der Mutter und dem Stiefvater ihres Dienstherren die kleine Ann Alice niemals zu zeigen.

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Wie groß musste der Hass ihres Sohnes auf sie sein, fragte sich Nelly oft seufzend und was hatte sie getan, um diesen zu schüren?

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Damals, als Jules geboren worden war, hatte sie dieses Baby geliebt und sie hatte ihm nie etwas anderes sein wollen als eine gute Mutter. Doch dies war von ihrem damaligen Mann erfolgreich verhindert worden und sie hatte zu ihrem jüngeren Sohn nie einen Bezug aufbauen können.
So gerne hätte Nelly dies an ihrem Enkelkind wieder gut gemacht, so gern hätte sie es verwöhnt, gehätschelt, in den Arm genommen, getröstet – doch wieder wurde ihr dies verwehrt, diesmal von ihrem eigenen Sohn, der nie wirklich ihr Kind gewesen war.
 
Es war im Herbst des Jahres 1925, als Jesse, entgegen seiner sonstigen gelassenen Art, furchtbar aufgeregt nach Hause kam.

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„Stell dir vor, Nelly! Ich habe ein tolles Angebot bekommen, bei dem ich nicht anders als zugreifen kann - natürlich nur dann, wenn auch du damit einverstanden bist.“

Beim gemeinsamen Abendessen erzählte Jesse seiner Frau die ganze Geschichte und sie hörte ihm aufmerksam zu.

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„Heute war der alte Mr. Billington bei uns in der Hotelbar - du kennst doch das Billington-Hotel vor den Toren der Stadt? Diesen einmalig schönen rosafarbenen Bau? Wir saßen mittags zusammen bei einem Drink und da sprach er davon, dass er sich zur Ruhe setzen wolle, aber, da er keine Kinder hat, bisher keinen passenden Nachfolger für sein Hotel gefunden habe. Ich glaube, er hat mit einem gewissen Hintergedanken zu mir davon gesprochen, denn ich bemerkte sofort das Funkeln in seinen Augen. Er scheint mich irgendwie in sein Herz geschlossen zu habenv– aus welchem unerfindlichen Grund auch immer. Und dann machte er mir dieses einzigartige Angebot: Für eine lächerliche Summe will er mir sein Hotel verkaufen, stell dir das doch vor, Nelly! Die einzige Bedingung, die er daran knüpft, ist, dass, wann immer er in der Stadt ist, ein Zimmerchen im Hotel für ihn bereitsteht.“

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Jesse schaute seiner Frau erwartungsvoll und gespannt entgegen.

Sie schien fieberhaft zu überlegen, denn ihre Stirn runzelte sich, wie immer, wenn sie vor einer schwierigen Entscheidung stand. Jesse wollte schon auffahren und weiter seine Argumente vorbringen, um Nelly von seiner Meinung zu überzeugen, denn er sah in dem Angebot von Mr. Billington DIE Chance seines Lebens. Jesse war Hotelfachmann mit Leib und Seele und nun war die günstigste Gelegenheit überhaupt gekommen, sein Dasein als Angestellter – wenn auch in leitender Position – gegen das eines Hotelbesitzers zu tauschen. Warum zögerte Nelly bloß?

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In diesem Augenblick wandte seine Frau ihm einen Blick zu, den er so an ihr liebte. Einen Blick voller Ernsthaftigkeit, Überlegtheit und des aufrichtigen Vertrauens in ihn und seine Fähigkeiten.
„Ich bin einverstanden, Jesse, weil ich weiß, dass ein eigenes Hotel schon lange dein heimlicher Wunsch ist. Wir werden die Kaufsumme schon aufbringen – sehr hoch ist sie ja tatsächlich nicht. Und wenn du Hilfe und Unterstützung brauchst, werde ich jederzeit für dich da sein. Inzwischen kenne ich mich ja ganz gut aus mit finanziellen Angelegenheiten und Buchhaltung.“

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„Oh, Nelly! Du bist die beste Ehefrau, die man sich nur wünschen kann!“ jubelte Jesse und drückte seine Liebste fest an sich, um ihr mit einem innigen Kuss zu danken.
Danach stürzte er freudestrahlend zum Telefon, um Mr. Billington die Entscheidung mitzuteilen.

In den folgenden Monaten kam das Ehepaar kaum zum Luftholen, so beschäftigt waren sie durch die Übernahme des „Billington-Hotels“.
Mit einem Kredit von der Bank und einem Darlehen von Nellys bester Freundin Mary hatten sie es geschafft, die volle Kaufsumme für das Grundstück zu bezahlen.

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(sorry wegen der Kästchen!)

Das Gebäude war ein Traum!
Es war im viktorianischen Stil erbaut und hatte eine wunderschöne Parkanlage.

Jesse war unfassbar stolz auf sein Eigentum und ließ es auf seinen und Nellys Namen eintragen. Sie waren beiden zu gleichen Teilen Besitzer und beide arbeiteten gleich hart daran, ihr Hotel zu einem der besten Adressen der Stadt zu machen.
Nelly hielt ihr Wort und unterstützte Jesse in den buchhalterischen Belangen, damit er sich um die Personalkoordination, das Marketing und alle anderen organisatorischen Fragen kümmern konnte.
Wie vorher auf privater Ebene wuchsen sie nun auch auf geschäftlicher Basis zu einem eingeschweißten Team zusammen, das Hand in Hand an seinem Erfolg arbeitete.
Und sie hatten Erfolg!
Bald galt das ehemalige „Billington-Hotel“, das sie nunmehr in „The Richard’s“ umbenannt hatten, als eine der nobelsten, aber auch gemütlichsten Unterkünfte in der Stadt.
Nelly und Jesse hatten sehr engagierte Mitarbeiter, die sie sehr schätzten und die ihrerseits dem Chef und der Chefin vollste Anerkennung entgegenbrachten.

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Diese harmonische Stimmung zwischen den Besitzern und deren Angestellten spürten auch die Hotelgäste und fühlten sich augenblicklich wohl, wenn sie eincheckten. Bald hatte das „The Richard’s“ einen großen Kreis an Stammgästen, die immer gerne wiederkamen.

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Als der alte Mr. Billington nach längerem Auslandsaufenthalt das erste Mal sein Wohnrecht in Anspruch nahm, kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus und sein faltiges Gesicht zeigte einen sehr anerkennenden Ausdruck: Das Hotel, das unter seiner Führung zwar immer recht gut besucht war, jedoch einen gewissen Ruf als „verstaubte, antiquierte Unterkunft für eher anspruchslose, ältere Herrschaften“ mit sich getragen hatte, war unter den neuen Besitzern aufgeblüht und zeigte sich nun als über die Landesgrenzen hinaus bekannter und bei Gästen aller Gesellschaftsschichten beliebter Aufenthaltsort. Geschäftsleute quartierten sich hier ebenso ein, wie Großfamilien, die ihre Verwandtschaft in der Stadt besuchten und – seit Jesse und Nelly einen Swimmingpool in dem lauschigen Park gebaut hatten, fanden sich auch zunehmend junge Ehepaare, die auf Hochzeitsreise waren, ein.

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Kurz und gut: Das „The Richard’s“ lief auf Hochform und brachte seinen Besitzern gute finanzielle Gewinne, aber auch viel persönliche Freude ein.
Jesse konnte sich ein Leben ohne das Hotel ohnehin nicht mehr vorstellen, aber auch Nelly war voller Enthusiasmus. Sie liebte das Ambiente, sie liebte die Gäste, die in Scharen anreisten, sie liebte es, neben ihrem Engagement für den „Verein zur Aufhebung der Rassentrennung“, noch eine Aufgabe zu haben, die sie erfüllte und bei der sie mit ihrem ganzen Herzen dabei war.

So vergingen die Jahre.
Jesse hatte der Ehrgeiz gepackt und so wurde im Frühling 1927 die Eröffnung eines zweiten Hotels gefeiert. Das „The Richard’s II“ befand sich in Charleston und der tüchtige Prokurist des „The Richard’s“ in New Orleans, wurde zum Geschäftsführer des neuen Hotels ernannt. Auch dieser Standort erwies sich als voller Erfolg und in den nächsten Jahren folgten noch weitere zwei Hotelfilialen in den Südstaaten der USA: Eines in Nashville, Tennessee und eines in Houston, Texas.
Ein jedes von ihnen war gut geführt und Nelly und Jesse, die trotz aller Delegation stets die Oberhand und Entscheidungskraft behielten, achteten darauf, dass alle ihre Hotels den Gästen den besten Service und jeden erdenklichen Luxus boten.

Für Nelly und Jesse Richards war ein Traum wahr geworden.
Sie waren unermesslich reich geworden, durch eine Sache, die ihnen Spaß machte. Täglich aufs Neue verspürten sie Freude an ihren Aufgaben.
Nelly war unglaublich stolz auf die Hotelkette, die sie und Jesse gemeinsam durch ihren Einsatz und die Arbeit ihrer eigenen Hände aufgebaut hatten.

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Wenn es jemanden gab, der noch stolzer war, als sie selbst, dann war das Jesse. Er liebte seine Frau von Tag zu Tag noch mehr, sofern das überhaupt noch möglich war. Was sie in den letzten Jahren gemeinsam geschaffen hatten, schweißte sie noch mehr aneinander.

Den 25. Oktober 1929, der als „Schwarzer Freitag“ in die Geschichte einging, konnten Nelly und Jesse zum Glück mit nur geringen Verlusten verbuchen, doch andere Leute, die vor dem Tag dieses fürchterlichen Börsenkrachs ein Vermögen besessen hatten, standen danach als arme Schlucker da.
Auch Jules Kensington, der vom Erbe seines Vaters und der Mitgift seiner Frau bisher in Saus und Braus gelebt, sich um Geld nie Gedanken gemacht und den falschen Beratern vertraut hatte, war nun mit einem Schlag ein mittelloser Mann.
Nelly und Jesse erfuhren es aus der Zeitung.

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Der „Schwarze Freitag“ hatte innerhalb von wenigen Tagen zu einer erschreckend hohen Selbstmordrate geführt. Menschen, die vorher Geld im Überfluss besessen hatten, wollten nicht mehr weiterleben, nun das sie alles verloren hatten. Julian Kensington war einer von ihnen.
Man fand ihn, gemeinsam mit seiner Frau Shannon, am Tag nach der Katastrophe an der Wall Street, tot im Salon seiner prachtvollen Villa auf.

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Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass er – etwa zwei Stunden, nachdem er seine Gattin erschossen hatte, sich selbst eine Kugel aus der alten Pistole seines Vaters durch den Kopf gejagt hatte.
Nelly und Jesse standen unter Schock, als ihnen diese entsetzliche Nachricht zugetragen wurde.
Was war nun mit dem Kind? Dem vierjährigen Mädchen namens Ann-Alice, das sie hinterlassen hatten?
Nelly und Jesse hatten es noch nie zu Gesicht bekommen. Die Großeltern mütterlicherseits waren im vorigen Jahr bei einem Unfall ums Leben gekommen.
Shannon hatte keine Geschwister, also existierten auch keine nahen Verwandten von dieser Seite, die das Kind hätten aufnehmen können.

Das erste, woran Nelly dachte, als sie von Jules und Shannons Tod erfuhr, war das kleine Mädchen: Ann-Alice!
Sie musste sofort erfahren, was mit ihr geschehen war und wo sie sich nun aufhielt!

„Regen Sie sich nicht auf, Mrs. Richards! Ihre Enkeltochter ist einstweilen bei uns in bester Obhut“, beruhigte sie die Dame, die sich am anderen Ende der Telefonleitung befand, als Nelly völlig aufgelöst beim städtischen Jugendamt nach Ann-Alice erkundigte.

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„Es wäre allerdings das Beste, Sie würden gleich bei uns vorbeikommen, um das Kind abzuholen. Es ist völlig verstört und weint immerzu. Der Trost von den Großeltern wäre in dieser Situation sicherlich das Beste für das Mädchen.“

Was wusste diese Frau schon über ihre Familiensituation? Sie konnte nicht wissen, dass Nelly mit ihrem Sohn schon seit etwa 5 Jahren kein Wort mehr gewechselt hatte. Sie konnte auch nicht wissen, dass die kleine Ann-Alice ihre Großmutter noch nie zuvor gesehen hatte. Sie tat das, was sie für das Beste hielt: Das Kind seiner leiblichen Großmutter zu übergeben!

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Dass die Kleine schrie und mit den Füßen um sich trat, als Nelly und Jesse sie abholten, irritierte die Jugendamt-Mitarbeiterin kaum. Sie war froh, eine Sorge bezüglich eines Unterbringungsplatzes für ein plötzlich verwaistes Kind loszusein.

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Und so geschah es, dass die vierjährige Ann-Alice Kensington, von zwei – ihr völlig fremden Menschen – mitgenommen wurde, um ab sofort in dem kleinen, mintfarbenen Haus aufzuwachsen, das so ganz anders aussah als die luxuriöse Villa in dem sie die ersten Jahre ihres Lebens verbracht hatte.

In der ersten Nacht, die sie im Haus ihrer Großmutter und ihres Stief-Großvaters verbrachte, konnte sie nicht einschlafen und quengelte und schrie die ganze Zeit hindurch.

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Alle Menschen, die ihr bisher vertraut waren, waren mit einem Mal aus ihrem Gesichtskreis verschwunden: Mama, Papa, Rose – ihr Kindermädchen, Joe – der Gärtner…

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Niemand, den sie kannte, war da – nur eine Frau und ein Mann, die ihr so entsetzlich fremd waren.

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in den 2 kapiteln ist ja echt viel passiert! aber ich bin echt froh, dass nelly und ihr mann auch mal eine glückssträhne hatten! und ich bin auch zuversichtlich, dass sich ihr enkelkind bald wohlfühlen wird.
aber weil ja diese kapitel jetzt so schön war, passiert sicher wieder was schlimmes im nächsten. oder?
ich wünsche allen noch einen schönen sonntag! :)
 
Hey Jula!
Dir auch einen schönen Sonntag und vielen, vielen Dank für deinen Kommi! Ob sich die kleine Ann-Alice wirklich schnell einleben wird - mal sehen...
Lg, bis bald! :hallo:
 
wie süß die kleine aussieht!voll zum knutschen :D kannst du mich bitte benachrichtigen? das wäre total nett:)
 
Na, also, endlich haben sie mal ein wenig Glück! Das Hotel ist schön geworden und ganz besonders dieser Teil, in dem ihr Leben im Hotel beschrieben wird!!!:)
Die Briefe, finde ich ja soweiso immer schön und ich habe mich fast genauso gefreut wie Nelly:lol:!
Das mit Shannon, da war ich ehrlich gesagt, fast enttäuscht, dass mit dieser Raubkatze und dem Schnösel nicht mehr "passiert" ist, aber jetzt sind sie ja nun tot und über Tote soll man ja nicht schlecht reden;)
mal sehen, wie die Kleine sich entwickelt, hoffen wir mal, das die bösen "Gene" bei ihr nciht durchkommen.....:ohoh:
Auf dem einen Bild, indem sie so sauer ist, sieht sie wirklich wie Shannon aus, zickig und verwöhnt und gefährlich, wenn sie nicht bekommt, was sie will...Aber sie ist ja noch so klein, hoffen wir mal das beste *Daumen drück*
Ich lese übrigens immer mit, auch wenn ich nicht immer Zeit habe, noch einen Kommi abzugeben:argh:!
lg Irisa:hallo:
 

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