Woher kommt eigentlich die Weisheit, daß Bildzeitungsleser aus der Unterschicht kommen?
Ich habe eine ganze Weile in einer Bahnhofsbuchhandlung gejobbt. Morgens früh ab halb 5, wenn die Arbeiter, die vermutlich der Unterschichtenidee am nächsten kommen, einfielen, gab es ein Kopf-an Kopf-Rennen von Bild und Kicker. Der größte Teil der Männer interessierte sich vorzugsweise für die Sportnachrichten und die nackten Mädels. (Was ihnen gegönnt sei)
Gegen halb 8 strömten dann die Düsseldorfer ein, jene, die in Banken und Behörden arbeiten. Die kauften Handelsblatt UND Bild. Weil sie ihr politisches Meinungsbild daraus zogen.
Ich für meinen Teil weiß schon seit Teenagertagen, daß der Bild-Zeitung kein Wort zu glauben ist.
Während der Olympiade 1972 gab es noch kein Frühstücksfernsehen (als Info für die Jüngeren unter euch). Nachdem die Terroristen des späteren Friedensnobelpreisträgers Arafat das Olympiadorf überfallen hatten, herrschte nachts ziemlich viel Verwirrung und vorsichtige Zurückhaltung bei den Radiosendern (auch nachts lief nach Mitternacht kein Fernsehprogramm).
Morgens früh stand ich vor dem Kiosk und konnte auf dem Titelbild einer Sonder-Bild-Zeitung lesen, daß die Geiseln befreit seien und im Innenteil die Interviews mit ihnen stünden.
Als ich in der Schule war, gab es in der großen Pause eine Vollversammlung und unser Direktor ließ einen Fernseher herbeischaffen, damit wir die Nachrichten über die mißglückte Geiselbefreiung sehen konnten.
Ich war wie vom Donner gerührt und bin losgestürmt zum nächsten Kiosk. Dort hing eine neue Ausgabe aus.
Das muß den SpringerVerlag ein Heidengeld gekostet haben, diese erste Ausgabe zurückzupfeifen und einzustampfen.
Für mich war es die Lektion fürs Leben.