~Kapitel 3~
Eine Blondiene namens Lauren
Die ganze Fahrt lang redeten meine Bekannten, Freunde passte in dieser Situation nicht so gut, über vergangene Ereignisse. Ich hielt mich vornehm zurück. Wenn jemand mich nach meiner Meinung fragte, antwortete ich mit ja, nein, erlitt einen plötzlichen Hustenanfall oder stellte mich schlafend. Wärend ich vor mich hin döste, vollends damit beschäftigt einen entspannten und müden Eindruck zu machen, lauschte ich dem Gespräch. Somit bekam ich einigermaßen viel über meine Vergangenheit mit. Der Typ der mein Freund war, hieß Cevin und schien ein ziemlicher Draufgänger zu sein, wie ich seinen Berichten aus vergessenen Tagen entnehmen konnte. Die Blondiene trug den unscheinbaren Namen Lauren. Mehr als die Tatsache, dass sie ein Lachen hatte, welches dem Gackern einer Huhnes ähnelte und sie ununterbrochen plappern konnte, erfuhr ich nicht über sie. Von der braunhaarigen konnte ich nur raten welcher Name zu ihr gehörte. Sie sagte kaum ein Wort, lachte eher wenig und war alles andere als Gesprächsthema Nummer eins. Soviel wie ich mit bekam, lief sie unter dem Namen Mandy. Dieser wirklich süße- verdammt ich musste mir das schnell abgewöhnen- Typ war John und saß, zu meinem Entsetzen, bei dem Unfall am Steuer. Jedenfalls behauptete er selbst dies. Meiner Auffassung nach, brachte ihn sein Gewissen fast um, was ich an seiner Stimme und seinen sich ewig wiederholenden Selbstvorwürfen erkannte.
"LEO!" Völlig unerwartet brüllte mir jemand ins Ohr. So plötzlich, dass ich hochschreckte und mit dem Kopf gegen die Autodecke stieß. Ein Hühnergackern ertönte hinter mir. Lauren. Mit einem geradezu heimtückischen Lächeln auf den Lippen stieg sie aus-ach nein, das bildete ich mir nur wieder ein. Auch ich stieg aus, die anderen taten es mir gleich. Interessiert betrachete ich das Haus, das sich vor mir befand. Nicht schlecht. Nicht die erwartete Miniwohnung die ich für eine WG erwartet hätte. Langsam folgte ich den anderen zur Haustür und trat ein. Auch die Einrichtung war nicht übermäßig Sperrmüll. Ein gesundes Maß an Ordnung herrschte hier drinn. Modern und sauber, so mochte ich es... Jemand griff erneut nach meiner Hand, sodass ich zusammenzuckte. Cevin schien wirklich einer dieser Typen zu sein, der gerne Weiber angrabschte, fuhr es mir spontan durch den Kopf. Unsinn. Es war mir nur extrem unangenehm von ihm berührt zu werden... Er führte mich durch den Flur zu einem Zimmer. Nein, nicht einem Zimmer. Meinem Zimmer. Langsam öffnete ich die Tür und schaute mich um. Wie verrückt es auch war-dieses Zimmer kam mir bekannt vor. Bekannter, als meine Freunde! Die moderne Einrichtung, die Ordnung, der Fußboden, die Tapete... All dies hatte ich schon einmal gesehen.
"Wilkommen zuhause!" meinte eine hohe Stimme hinter mir in übertrieben dramatischem Tonfall. Innerlich verdrehte ich die Augen. Aus mir unverständlichen Gründen war Lauren uns gefolgt, anstatt uns einfach nur in Ruhe allein zu lassen. Nun gut, ganz allein wäre mir das ganze vielleicht doch nicht geheuer gewesen... Waren alle meine Freunde so... Aufdringlich? Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen wie Cevin mir zu lächelte. Ich tat so, als hätte ich es nicht gesehen, damit ich es nicht gekünstelt erwidern musste. "Also gut, Mädels. Dann lasse ich euch mal allein. Bis gleich, Süße." Er versuchte mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu geben, doch ich wich aus in dem ich vortäuschte, gestolpert zu sein. Er schaute mich eine Weile verwirrt an, zuckte unmerklich die Schultern und verließ das Zimmer. Nun war ich allein mit Blondie. Padon, Lauren.
Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen und betrachtete Laurens Schuhe, bedacht darauf, ihr nicht ins Gesicht schauen zu müssen. Deshalb sah ich auch nicht, dass mein Gegenüber ihre Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln verzog. "Meine... Fresse... Leo!" stieß sie hervor, gackerte. "Was?" Ich schaute auf. "Wie lange bin ich jetzt schon deine beste Freundin? Seid der sechsten Klasse, oder?" "Ja und? Worauf willst du hinaus?" Eine leise Vorahnung kündigte sich an. "Meinst du wirklich dass ich nicht spühre wenn etwas mit dir nicht stimmt?" Meine böse Vorahnung verhärtete sich. Aber warum grinste Blondie so? "Du hast dein Gedächnis verloren, gibs doch zu!" Bingo. "Ich meine, das merkt doch ein Blinder mit nem Krückstock! Du redest wirres Zeugs, nimmst nicht an unseren Gesprächen teil und wenn dein Typ dich auch nur anschaut-Himmel, du müsstest dein Gesicht sehen, Mädchen!" Sie lachte erneut. Mir war gar nicht wohl in meiner Haut. Aber wenigstens kannte nun jemand mein... Problem. Allerdings war Lauren nicht die Sorte Mensch, beste Freundin hin oder her, der ich dies mitgeteilt hätte. Außerdem... Beste Freundin? Das allein wollte ich schon nicht glauben, so wie sie mit mir umging..! Ich schwieg einfach. So fuhr Lauren fort, mir auf die Schulter klopfend: "Keine Sorge, wird schon wieder. Ich mach uns jetzt erstmal ein Käffchen und du versuchst dich weiter zu erinnern, klar?"
Alles, wirklich alles hatte ich als Reaktion erwartet, nur das nicht. "Ein... Käffchen?!?" entfuhr es mir, lauter als gewollt. Ein Käffchen? Ein Käffchen und die Welt ist wieder in Ordnung, oder was?!? "Hey, ruhig bleiben, denk an deinen Blutdruck..!" Lauren hob beschwichtigend die Hände. "Ich studiere doch nicht umsonst Medizin, oder? Wenn du dich nicht übermäßig aufregst und dich damit verrückt machst, kommt dein Gedächnis von ganz allein wieder zurück." "Nagut..." meinte ich wenig überzeugt und schnaubte leise. Auf eine Diskussion mit einer Medizinstudentin hatte ich nun wirklich gar keine Lust. "In den meisten Fällen jedenfalls." setzte Lauren noch hinzu, ehe sie das Zimmer verließ und die Tür hinter sich in Schloss fallen ließ. Was für ein Biest..., dachte ich mir im Stillen. Seufzend schaute ich aus dem Fenster. Aber wahrscheinlich hatte sie recht. Ich dürfte mich nur nicht damit verrückt machen, mich nicht aufregen, auch nicht über sie, denn egal wie viele Leute täglich ihre Erinnerungen verloren, die Welt drehte sich weiter. Nur für die Betroffenen geht sie dabei ein Stück weit unter...