John Demjanjuk

Bulletstorm

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http://de.wikipedia.org/wiki/John_Demjanjuk

Ich bin vorgestern zum ersten Mal auf den Fall Demjanjuk aufmerksam geworden und bin doch etwas verwundert.

Ich dachte eigentlich es wurden nur die wirklich üblen (und die höherrangigen) Nazis bestraft.
Mal angenommen Demjanjuk war nur ein einfacher Wachmann (bisher konnte ich keine Quelle finden, die explizit etwas anderes behauptet) im Vernichtungslager Sobibor .... ist das dann wirklich Grund genug ihm sein gesamtes restliches Leben urplötzlich zu ruinieren?

Ich muss zugeben, dass ich nicht wirklich viel über diesen Fall und über ähnliche Fälle weiß, aber als ich vorgestern zum ersten Mal darüber gelesen habe, war ich doch "vorsichtig entsetzt" darüber, wie hier das Leben einer Person nach Jahrzehnten unbescholtenen Lebens komplett ruiniert wird, nur weil sie, um eventuell dem Tode zu entgehen, im WWII die Seiten gewechselt hat.

Weiß da vielleicht jemand mehr drüber?
 
Naja, 'nur' die Seiten gewechselt um dem Tode zu entgehen ist wohl ein bisschen einfach, schließlich hat er damit zur Ermordung vieler anderer Menschen beigetragen. Zumal die Wachmänner auch oft sehr grausam zu den Gefangenen waren. Ob das auf ihn zutrifft, weiß ich nciht.

ich weiß aber auch nicht, ob es sein muss, einen alten, todkranken mann jetzt noch auf die Anklagebank zu setzen...
 
@The Wolf:
Grundsätzlich gebe ich Dir ja Recht, aber warum kann das nicht einfach so in einem "normalen" Verfahren geklärt werden?

Normalerweise wird ein potenzieller Mörder doch angeklagt, kommt in für die Zeit eventuell in Haft und nach dem Urteil ist er entweder frei oder im Knast.

Demjanjuk, der jahrzehntelang ein unbescholtenes Leben in den USA führte, hingegen wird seine Staatsbürgerschaft einfach aberkannt, dann nach Israel ausgewiesen, verbringt sieben Jahre im Gefängnis, wird erst zum Tode verurteilt, Jahre später begnadigt und wird dann zurückgelassen in die USA .... nur um ihm ein paar Jahre später schon wieder die Staatsbürgerschaft abzuerkennen und ihn entweder in seine Heimat (in der er anscheinend seit ~60 Jahren nicht mehr war) abzuschieben oder ihn aber nach Deutschland zu bringen und ihm dort den Prozess zu machen, dessen Ende er womöglich nicht mal mehr erleben wird.

Seit über 20 Jahren hat der Kerl im Grunde keine Heimat mehr (weil seine Wahlheimat, die USA, ihn nicht mehr will) und steht zwischen Gefängnis und Todesstrafe ... und das nur weil weil er Wachmann in einem Vernichtungslager war?
 
Ähm Moment...ihm wird vorgeworfen an der Ermordung von 29.000 Juden beteilgt
gewesen zu sein. Dann war er nicht "nur" ein Wachmann. Und da ist es auch egal,
wie lange das her ist.
Ich habe auch Bücher gelesen von Menschen, die in KZs mussten aber überlebt
haben und daraus geht auch hervor, dass die Wachmänner- und frauen die
Insassane auch gequält und gedemütigt haben und somit ihre Position auch
ausgenutzt haben. Und in dem Moment wo so etwas passiert sind sie nicht
mehr einfach nur Wachmänner sondern Straftäter!
Um dem Tod zu entgehen würde ich auch niemals so eine Position eingehen. Ich
würde lieber sterben als ansehen zu müssen, wie Menschen im KZ totgeschlagen,
vergewaltigt, verhungern oder vergast werden. Das jetzt villt auch einfach
gesagt, aber ich habe auch meine Lebenseinstellung.
Was ist denn dann mit anderen Kriegsverbrechern? Die werden ja schließlich auch
verurteilt und ich finde es ist egal wie lange so eine Straftat her ist.
 
Also, ich habe mich gerde noch einmal informiert. Er ist auf jedenfall schuldig, denn
wenn man Juden daran hindert wegzulaufen damit sie vergast werden können ist
man ein Straftäter. Aber damals war ja auch diese Verhandlung in der festgestellt wurde,
dass er gar nicht der ist, den man eigentlich gesucht hat, sondern nur den gleichen
Namen hat und zufällig auch Wachmann war. Trotzdem bin ich immer noch der
Meinung, dass er ein Straftäter ist aus dem oben genannten Grund. Ob es nun Sinn
macht diesen Mann noch zu bestrafen ist eine andere Sache, denn er ist 90 und ob du
nun im Gefängnis im Pflegebett liegst oder im Altersheim wo sich dann die Schwestern
um dich Kümmern (er kann ja eh kaum noch laufen wenn er so alt ist)...das macht keinen
großen Unterschied, meiner Meinung nach.
Todesstrafe ist eh nichts...finde ich. Denn keiner darf darüber entscheiden wer getötet
wird und wer nicht und der Start wird selber zum Mörder und daher ist dieses Art der
Strafe eh nicht angebracht...in KEINEM Fall. Aber das ist ja nun auch wieder eine
andere Diskusion. Aber ich keine deine Frage schon verstehen, ebend weil der Typ so
alt ist und weil er nun doch nicht der "schreckliche" war den man ursprünglich gesucht
hat.
Die Ausrede...ich musste sonst wäre ich getötet worden ist immer auch so eine Sache.
In Deutschland sind nur die Leute Aufseher geworden die auch bei der NS waren oder
sich um eine Stelle beworben haben. Aber es gibt auch welche aus den Baltischen
Staaten (wo er ja nun auch herkommt) die unter diesem genannten Zwang standen.
Aber dazu habe ich ja meine Meinung auch schon oben geschrieben.
 
Also, ich habe mich gerde noch einmal informiert. Er ist auf jedenfall schuldig, denn
wenn man Juden daran hindert wegzulaufen damit sie vergast werden können ist
man ein Straftäter.

Ach ja? Ich bin der Meinung, dass er sich den damals dort geltenden deutschen Gesetzen gemäß verhalten hat. Unschuldig im moralischen Sinne nicht, nicht aber ein Straftäter?
 
Ich meinte damit nicht, dass er sich damals nicht schuldig gemacht hat. Ich weiß
nicht wie die Gesetzeslage damal war. Aber er ist moralisch gesehen schuldig.
Wenn es dann nach den deutschen Gesetzen geht ist dann keiner schuldig, der
sich damals an die Regeln gehalten hat aber trotzdem Schuld ist an dem Tod von
Millionen von Menschen?
 
Ja, Mitschuld am Tod von anderen Menschen ist eine moralische Schuld. Aus unserer heutigen Sicht. Früher wurden Menschen dafür mit Medaillen ausgezeichnet. Aber was gibt uns das Recht, diese Menschen nach unseren heutigen Maßstäben zu beurteilen? Und was gibt uns das Recht, ihn nach moralischen Gesichtspunkten zu verurteilen (damit meine ich nicht persönlich, das darf jeder, aber rechtlich gesehen)?
Was, wenn man auf dich in 50 Jahren Gesetze anwenden würde, nach denen du heute eine Straftat begangen hättest? Moralische Grundsätze ändern sich alle Male in der Geschichte. Was ist mit den Berufshenkern im Iran, die dort Hinrichtungen vollziehen? Würdest du die auch gerne vor ein westliches Gericht stellen und verurteilen lassen?
Was würdest du tun, wenn man dich vor die Wahl stellt, ein Lager zu bewachen, in dem Menschen umgebracht werden oder du wirst selbst erschossen?
Es ist so leicht, aus unserer bequemen Sicht mit dem moralischen Zeigefinger auf Leute wie Demjanjuk zu zeigen.
 
Mein Gott, bist Du blauäugig! Glaubst Du, es ist wirklich so einfach, dass man Dich oder mich vor die Wahl stellt: Erschiess jemanden, sonst wirst Du selbst umgelegt?" Mit einer solchen Einstellung kann man jedes persönliche Verbrechen rechtfertigen und jeden Schweinehund legitimieren!

Demjanjuk möchte sich gerne als das arme Opfer sehen, das wollen alle Schweinehunde dieser Welt. Die Tatsachen sind allerdings ganz anders: Die Frühzeit des 20. Jahrhunderts war geprägt von einem weltweiten extremen Nationalismus, der Faschismus war sozusagen gesellschaftsfähig, und viele führende Politiker dieser Zeit waren schlichtweg Diktatoren und liefen in lamettageschmückten Uniformen herum. Ich nenne mal einige Namen:

Mussolini (Italien), Franco (Spanien), Salazar (Portugal), Metaxas (Griechenland), Georgiew (Bulgarien), Pilsutzki (Polen) Pets (Estland) Ullmanis (Lettland), Smetona (Litauen), Horty (Ungarn), Pavelic (Kroatien) dazu faschistische Militärdiktaturen in ganz Lateinamerika.....und natürlich der Österreicher Adolf Hitler.

Ganze Staatsgemeinschaften haben begeistert mitgemacht beim Russenkillen und Judenvergasen:
Die Niederländer haben ihre Juden freiwillig ausgeliefert, halb Frankreich unter General Vichy hat bereitwillig kooperiert, und die Begeisterung der Ukrainer und gerade auch der baltischen Staatsbürger Esten, Letten und Litauer kannte kaum Grenzen, als die Wehrmacht endlich einrückte. Zehntausende haben sich den faschistischen deutschen Eroberern angeschlossen und wollten ihre Herrenmenschenhelden noch übertreffen. Die haben regelrecht die Waffen-SS gestürmt.....

Ich gehe davon aus, dass Herr Demjanjuk einer von diesen 200%igen Beute- Nazis war, und ich will wissen, ob er einer von diesen war. Es läge ja an ihm, etwas zur Aufklärung beizutragen. Das wäre ganz einfach, wenn er keinen Dreck am Stecken hätte. Demjanjuk wird von Zeugen (KZ-Überlebenden) schwerst belastet; er stand in Israel vor Gericht und saß dort ein; alles grundlos? Dann ging er in die USA und versuchte, den Biedermann zu spielen. Offenbar ist er aber selbst den USA, einem Land, dessen Regierung sonst noch jeden Schweinepriester deckt, wenn der nur für die richtige Sache steht, zu heiß geworden...

Der arme, alte Mann! Was sind das doch für mitleidheischende Bilder, wenn der Mann unter Schmerzen zum Auto getragen wird, um seinen deutschen Richtern zugeführt zu werden, gelle? Alles Show! The Show must go on, und Demjanjuks amerikanische Anwälte wittern das große Geld mit dem Mann. Wer hat sich eingesetzt, als Gestapo - Leute in meiner Heimatstadt Berlin Juden - Männer, Frauen und Kinder - aus ihren Häusern gezerrt haben und sie wie Vieh in Waggons nach Auschwitz gekarrt haben? Wo war da das Mitgefühl mit 65 000 unschuldigen Menschen?

Ich glaube die Frage die JeWnS ursprünglich aufwerfen wollte, lässt sich vielleicht auf wie folgt reduzieren: Darf man einen Menschen anhand eines Gesetzes verurteilen, welches erst nach Tathergang in Kraft trat?
 
John Demjanjuk wird vorgeworfen, als Kz- Aufseher an der Ermordung von 29 000 Menschen beteiligt gewesen zu sein, darunter über 1900 Deutschen. Mord unterliegt in Deutschland nicht der Verjährung, auch das Alter schützt vor Strafe nicht.

John Demjanjuk gehört - wie jeder Mörder - vor Gericht. Dabei ist das Alter völlig unerheblich. Das Gericht wird entscheiden, wie groß die Schuld Demjanjuks ist. Wenn er unschuldig ist, wird er nichts zu befürchten haben. Wenn doch, dann ist es höchste Zeit, dass er seine verdiente Strafe erhält, wie bei jedem Lumpenhund, ganz egal, welcher Nation oder welcher Ideologie er angehört.

Ich halte es im Übrigen für ein nationales Interesse, dass Personen wie Demjanjuk in Deutschland ihrer Strafe zugeführt werden und nicht etwa in den USA oder Israel. Es dient unserem Ansehen, wenn unser Volk von sich aus in der Lage ist, sich auf diese Weise zu reinigen.

Dem stimme ich zu...

Ich glaube die Frage die JeWnS ursprünglich aufwerfen wollte, lässt sich vielleicht auf wie folgt reduzieren: Darf man einen Menschen anhand eines Gesetzes verurteilen, welches erst nach Tathergang in Kraft trat?

Ja, das darf man. Vor allen Dingen wenn es um 30,000 Leute geht.
 
Ja, das darf man. Vor allen Dingen wenn es um 30,000 Leute geht.
Was bisher noch nicht bewiesen wurde.

Wegen eines Verdachts die Gesundheit oder sogar das Leben eines Menschen aufs Spiel setzten? Meiner Meinung nach absolut unvereinbar mit den Regeln eines Rechtsstaates. Absolut richtige Entscheidung seitens der Amerikanischen Gerichte und ich hoffe diese lächerlichen Aktion wird nun endgültig ein Riegel vorgeschoben. Gerechtigkeit ja, aber nicht mit allen Mitteln.
 
Ja, das darf man. Vor allen Dingen wenn es um 30,000 Leute geht.

Ich würde diese Frage nicht so leichtfertig abtun. Wenn morgen ein Gesetz verabschiedet wird, dass besagt, dass auf deutschen Autobahnen eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung von 90 km/h gilt, wäre es doch absolut skandalös rückwirkend alle Leute strafrechtlich zu belangen, welche vor Erlass des Gesetzes auch gerne mal mit 150 Sachen über die Autobahn geheizt sind.

Ich gebe zu, der Vergleich hinkt arg. Aber im Prinzip ist es das Gleiche. Demjanjuk hat ja nicht nur im Rahmen des Gesetzes gehandelt, sondern auf ausdrückliche Order.

Schon bei den Nürnberger Prozessen hat das TIME-Magazin folgendes drucken lassen: „Was immer für Gesetze die Alliierten für die Zwecke des Nürnberger Prozesses aufzustellen versuchten, die meisten dieser Gesetze haben zur Zeit, als die Taten begangen wurden, noch nicht existiert. Seit den Tagen Ciceros ist eine Bestrafung ex postfacto von den Juristen verdammt worden“.
 
Eigentlich gilt: nulla poena sine lege- keine Strafe ohne Gesetz (Rückwirkungsverbot)
Demnach hätten die meisten Nazis, welche verurteilt wurden, nicht verurteilt werden dürfen (einige haben sicher strafbare Straftaten begannen...).
Da die Verbrechen (objektiv betrachtet waren es ja welche, auch wenn die deutsche Gesetzgebung zu der Zeit da was anderes zu gesagt hat) zu schrecklich waren und niemand es moralisch verantworten konnte die Leute einfach straffrei davon kommen zu lassen wurde in dieser Situation eine Ausnahme gemacht und man berief sich auf die Radbruchsche Formel.
Wer sich für eine ausführliche Erläuterung interessiert kann einen recht interessanten Artikel zu den Nürnberger Prozessen hier finden. Da ist das Ganze etwas sinnvoller erläutert.

Dafür dass nach 1945 nicht jeder der dem NS Regime mitgeholfen hat verurteilt wurde gibt es einige logische Erklärungen, man mag sich dabei gut fühlen oder auch nicht:
- es wäre viel zu aufwändig gewesen
- es gab zu wenig Gefängnisse ;)
- in Deutschland herrschte ohnehin bereits "Männermangel" da fast eine ganze Generation im Krieg vernichtet wurde
- es war schwer nachzuweisen wer in welchem Maße "überzeugt" war
- es wäre finanziell nicht tragbar gewesen

In diesem Fall geht es um einen alten Mann... man kann ihm nichts 100% nachweisen und die meisten Zeugen dürften mittlerweile verstorben sein.
Ob sich hier ein Prozess wirklich lohnt oder ob man ihn einfach in Ruhe leben und sterben lassen soll... schwere Frage und ich möchte die ganz sicher nicht entscheiden.
 
[...]
Ich gehe davon aus, dass Herr Demjanjuk einer von diesen 200%igen Beute- Nazis war, und ich will wissen, ob er einer von diesen war. Es läge ja an ihm, etwas zur Aufklärung beizutragen. Das wäre ganz einfach, wenn er keinen Dreck am Stecken hätte. Demjanjuk wird von Zeugen (KZ-Überlebenden) schwerst belastet; er stand in Israel vor Gericht und saß dort ein; alles grundlos? Dann ging er in die USA und versuchte, den Biedermann zu spielen. Offenbar ist er aber selbst den USA, einem Land, dessen Regierung sonst noch jeden Schweinepriester deckt, wenn der nur für die richtige Sache steht, zu heiß geworden...

Der arme, alte Mann! Was sind das doch für mitleidheischende Bilder, wenn der Mann unter Schmerzen zum Auto getragen wird, um seinen deutschen Richtern zugeführt zu werden, gelle? Alles Show! The Show must go on, und Demjanjuks amerikanische Anwälte wittern das große Geld mit dem Mann. Wer hat sich eingesetzt, als Gestapo - Leute in meiner Heimatstadt Berlin Juden - Männer, Frauen und Kinder - aus ihren Häusern gezerrt haben und sie wie Vieh in Waggons nach Auschwitz gekarrt haben? Wo war da das Mitgefühl mit 65 000 unschuldigen Menschen?

Du argumentierst sehr emotional, das finde ich gut. :)

Wie einige schon sagten, wollte ich auf was anderes hinaus.
Es geht mir nicht um legitimieren, oder darum, dass ich ihn in Schutz nehmen möchte. Tarantelork hat das nochmal gut aufbereitet.

Wie ich schon oben schrieb: Nach unseren moralischen Maßstäben ist er sicher ein Schweinehund. Und du hast selbst geschrieben, dass der Faschismus, Rassismus etc. damals in großen Teilen Europas salonfähig war. Schimpfst du nun also auch wie ein Rohrspatz über all die Schuhmacher, Bauern und Arbeiter, die an der Parade zu Hunderttausenden begeistert den rechten Arm hochgestreckt haben?
Ist es denn erwiesen, dass Demjanjuk ein Überzeugungstäter ist, ein Sadist? Du "gehst davon aus". Toll. Das kann ich auch. ;)

Es gibt nun mal leider kein universelles "moralisches Gesetz in uns". Immer dieses Betroffenheitsgeseiere aus der sicheren Position. Moral wird uns zuerst anerzogen. Sicher kann man sich umschauen und sich neue Wertvorstellungen überlegen. Aber auch das hat nicht jeder mitbekommen. Wo du das Beispiel oben schon angeführt hast: Was würdest du denn tun, wenn man dich erschießen würde, wenn du nicht ein KZ bewachen würdest? Oder man einen Menschen, der dir nahe steht, mit dem Leben bedroht? Wärest du ohne mit der Wimper zu zucken heldenhaft zu den Partisanen übergelaufen? Wofür würdest du denn dein Leben opfern? Ich maße mir jedenfalls nicht an, darüber zu urteilen, was ich damals für ein Mensch gewesen wäre.

Gerade die, die am eifrigsten dagegen wettern, wären damals vielleicht die strammsten Nazis gewesen. Ich finde dieses Verfahren einfach nur grotesk. Wenn Demjanjuk heute, mit dem Wissen von heute, immer noch nichts bereut (wenn der denn schuldig ist), dann hätte ich dafür auch kein Verständis. Aber damals...war das etwas anderes.
 
Selbst wenn Demjanjuk bewusst war, dass das, was er macht moralisch falsch ist, hat er sicherlich Straffreiheit garantiert bekommen.

Passiert nicht gerade genau dasselbe in den USA?
CIA-Mitarbeiter, die ja foltern sollen - bekommen Straffreiheit zugestanden, obwohl das, was sie machen, definitiv moralisch falsch ist.

Oder?
 
Auch ich habe mich mit diesem Thema ausführlich befaßt - befassen müssen.

1. "Man mußte ja mitmachen"
Mein Großvater war überzeugter Nazi, SS-Mann der ersten Stunden, bla, hasse nich gesehn. Anfang der 40er wollte ihm irgendein Vorgesetzter "was Gutes" tun, um den Vater von 6 Kindern von der Front wegzuholen, und ließ ihn nach Auschwitz abkommandieren als Wachpersonal. Mein Großvater sah sich das an, dann erklärte er, schriftlich !, die Behandlung der sowjetischen Gefangenen sowie der Juden sei eine Sauerei, ein anständiger Deutscher könne sich nicht damit abfinden, eine solche Arbeit zu leisten, und bat um unverzügliche Versetzung. Bekam er schon am nächsten Tag ohne Repressalien bewilligt. Der mitgeführte Schriftverkehr sorgte dafür, daß er trotz seiner SS-Uniform bereits 1946 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehren durfte.
Merke: Es war möglich, solche Jobs abzulehnen, ohne Repressalien zu erleiden.

2. "Die Gesetze erlaubten das"
Ende der 30iger, Anfang der 40iger wurde ein Film, vermutlich von Leni Riefenstahl, gedreht, dessen Ziel es war, die Vernichtung von Geisteskranken als "unwertes Leben" und die Menschen, die sich damit befaßten, hoch leben zu lassen.
Der Film war excellent. Ich habe ihn während des Studiums bewundern dürfen und entgeistert festgestellt, daß etliche Sozialpädagogik-Studenten nach diesem Film schwer ins Nachdenken gerieten, weil "so unrecht haben die ja nicht gehabt".
Die Problematik des Filmes, der ursprünglich als Lehrfilm in den Kinos gezeigt werden sollte, war aber, daß das Probepublikum, gestandenes SS-Volk, nach der Uraufführung eben nicht begeistert war. Ergebnis: Der Film wurde eingezogen und sollte erst späteren Generationen, die das Werk der Vorderen (vermutlich nach intensivster Gehirnwäsche von klein an) zu schätzen wüßten, vorgeführt werden. Weil massiver Widerstand von Seiten der Bevölkerung erwartet wurde, wenn der Film gezeigt würde.
Vermutlich wurde aus eben diesem Grund kein "Heißa, jetzt bringen wir die Juden um"-Film gedreht.
Merke: Unabhängig von der politischen Ausrichtung gibt es grundsätzliche Dinge, die als globale Gesetze empfunden werden.
Tempo 150 statt 100 zu fahren gehört nicht dazu, weil Verkehrsverstöße nicht als Bedrohung der Lebensordnung angesehen werden. Aber das Kompendium der Menschenrechte gehört sicherlich zu den Regeln, die 99,9% aller Befragten sofort und immer unterschreiben würden.

3. "Der arme alte Mann"
Im Gegensatz zu seinen Opfern hatte der "arme alte Mann" ein schönes und erfülltes Leben, das er sich durch Lug und Trug erschwindelt hat. Die Familie kann einem leid tun, der Kerl aber nicht. Es gibt Verbrechen, für die es aus gutem Grund keine Verjährungsgrenze gibt. Einer der Gründe ist, weil Kerle wie der zwar Manns genug sind, Hilflose zu traktieren, aber dann den Schwanz einkneifen und sich nicht der Gerichtsbarkeit stellen. Was hat ihn denn daran gehindert, ERST seine Schuld einzugestehen und die gerechte Strafe abzusitzen, und DANN ein Leben als Mitglied der Gesellschaft zu führen? Nur seine persönliche Feigheit und die Hoffnung, man würde ihm nicht hinter sein Lügengespinst kommen.
Ich habe Hochachtung vor Leuten, die einen anderen töten und dann sofort sagen "Mann, ich habe ******* gebaut" und zur Polizei gehen. Aber jemand, der 60 Jahre gelogen und betrogen hat, verdient kein Mitleid.
Merke: Ich bin erbarmungslos. Weil ich ungefähr jeden Dokumentarfilm über das Dritte Reich gesehen und mindestens 30% aller in Deutschland erschienenen Bücher darüber gelesen habe.
Wer Mitleid hat, sollte sich das antun und dann noch mal nachdenken.

Schönes Wochenende:ciao:
 

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