Kapitel 11: Nkosi rennt
Als Bärbel dem Gatten tränenüberströmt die Nachricht überbringt, daß ihr kleiner Bruder samt Familie ausziehen wird, kann Dietmar sein Glück nicht fassen. Natürlich nimmt er seine Gattin tröstend in den Arm, aber hinter ihrem Rücken grinst er wie ein Honigkuchenpferd. Endlich ist er diese Schmarotzer los!
Zudem er Bärbels Reaktion völlig übertrieben findet – die Bruhns ziehen ja nur in den rechteckigen Wohncontainer auf der anderen Straßenseite und nicht in die Wüste Gobi (wo sie eigentlich hingehören, wie Dietmar findet). Mai Tai hatte zwar die Nase gerümpft, denn dieses Haus entspricht nun wahrlich nicht ihren Wünschen, aber mehr Geld war aus Mannis Bauchspeicheldrüse nicht herauszuholen. Nun drängt sie ihn dazu, noch wenigstens eine Niere und einen Lungenflügel zu verscherbeln, schließlich hat er davon ja jeweils zwei und sie möchte sich ein Cabriolet zulegen.
Nicht daß jetzt jemand denkt, Nkosi würde Wiebke weglaufen wollen. Nein, ein Talentsucher der Lama Globetrotters hat ihn bei einem Freundschaftsspiel der Universität als hoffnungsvolles Nachwuchstalent entdeckt und für die Mannschaft von Sunset Valley unter Vertrag genommen. Nkosi muss seither hart trainieren.
Seine Eltern drängen ihn jedoch zu einer Rückkehr nach Afrika, denn sie haben ihm bereits eine standesgemäße Braut ausgesucht. Wie er das jetzt Wiebke beibringen soll, ist ihm noch schleierhaft.
Bärbels anfängliches Misstrauen Nkosi gegenüber hat sich in wahre Begeisterung für den sympathischen jungen Mann verwandelt. Er ist praktisch veranlagt, steuert sein Gehalt zur Haushaltskasse bei, trägt mittlerweile im Haus ebenfalls gerne legere Kleidung und weiß ein gutes Buch zu schätzen (im Gegensatz zu Wiebke, die nur noch vor der Glotze hängt). Ok, das Adjektiv „gut“ streicht Bärbel auch gleich wieder in Gedanken, denn Nkosi liest mit großem Interesse „Der Name der Hose“ von Ilse Stutenbrock. Warum er und ihre Tochter immer noch keine Anstalten zur Hochzeitsvorbereitung treffen, bereitet ihr jedoch Kopfschmerzen. Nicht aus moralischen Gründen, so denkt natürlich nur Dietmar. Nein, sie ist sich gewiss, daß Nkosi Wiebkes letzte Chance ist, noch einen abzubekommen – eine lethargische Sofa-Kartoffel ohne Ausbildung und Zukunftsperspektive steht nun mal nicht auf Platz 1 der Hitliste von begehrenswerten Ehekandidaten.
Höchst erfolgsversprechend wäre natürlich eine unverhoffte Schwangerschaft. Die hat schon einigen notorischen Junggesellen den Willen gebrochen. Und wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg eben zum Propheten. Aber dazu muss die gebirgige Tochter erstmal vom Sofa losgeeist werden. Deren Pille wurde bereits erfolgreich durch Tic-Tacs ausgetauscht, jetzt wird noch das Fernsehgerät sabotiert. Als Technikhasserin hat Bärbel zwar nicht den leisesten Schimmer vom Innenleben einer Flimmerkiste, stochert aber so lange darin herum, bis der Kasten den Geist aufgibt.
Josef Hitzelsperger wurde volljährig – ein langersehnter Anlass, um bei Eberhard vorbeizuschauen und nachzuhaken, ob die Flamme der Leidenschaft noch lodert.
Jawohl, tut sie immer noch.
Eberhard könnte glücklicher nicht sein, denn seit seiner eigenen Mannwerdung wurde er schon nicht mehr geküsst (und dieses Techtelmechteln, von dem alle sprechen, würde er auch gerne mal austesten). Geküsst wurde er übrigens auch schon lange nicht mehr von der Muse. Im Gitarrenspiel kann er bisher nur Malcolm Landgraab zu seinem Hardcore-Fan zählen, und auch seine Aquarelle bukolischer Landschaften verkaufen sich zäher als drei Jahre alter Edamer. Ob ihn die Liebe zu Josef also auch künstlerisch wieder beflügeln wird?
Josef hält sich für einen hervorragenden Architekten, nur fehlen ihm bisher noch die Aufträge. Dafür hat er sich jedoch schon einen schicken Laptop und ordentlich viele Attitüden zugelegt (zum Beispiel nur weiße Kleidung zum weißblondierten Haar zu tragen). Studiert hat er das Fach zwar nicht, meint aber, großes Talent dafür zu besitzen, schließlich baut er schon seit Jahren Häuser in Sims2 und gewinnt so gut wie alle Simsforum-Bauwettbewerbe.
Der Fernsehapparat hat willkürlich den Geist aufgegeben. „Der war doch noch so gut wie neu!“ hat Dietmar gejammert und sucht seither fieberhaft in der Zeitung nach TV-Geräte-Coupons.
Pech für Dietmar, Glück für Nkosi! Denn nun ist Wiebke auch endlich wieder zum Techtelmechtel bereit. Noch ein kurzer Check im Spiegel... jaaa, alles stimmt: Die sexy Unterwäsche, der fantastische Körperbau und das umwerfende Lächeln – Nkosi weiß einfach, daß er unwiderstehlich ist. Er schmilzt ja bei seinem eigenen Anblick schon fast dahin!
Auch auf dem Sofa wird dahingeschmolzen – Josef hat soeben Eberhards Drängen nachgegeben, in der Casa Stutenbrock einzuziehen.
„Na toll“, denkt sich Nkosi, „die Hütte war ja noch nicht voll genug!“ und beschließt, sobald wie möglich hier die Flatter zu machen. Wenn er doch nur die hinreißende Geliebte mit nach Swasimland nehmen könnte! Aber seine Eltern würden ihn umgehend enterben, wenn er eine solch mitgiftlose Braut wie Wiebke anschleppen würde.
In Josef hat sich ebenfalls alles gesträubt, in dieses Haus zu ziehen. Rustikale Blümchentapeten und rosa Märchenkitsch ersparen dem angehenden Stararchitekten das Haargel, weil sich die Haare von alleine sträuben.
Selbstredend nutzt Bärbel jede Gelegenheit, über die Strasse zu huschen und bei Bruhnsens vorbeizuschauen. Schließlich befürchtet sie angesichts Mai Tais nachlässiger Haushaltsführung das Schlimmste.
Tatsächlich hat Manni wieder ordentlich zugelegt – aber aufgrund des fehlenden Lungenflügels kommt er beim Sport stets recht schnell aus der Puste. Dafür geht es endlich in der Karriere voran. Dank seiner häufigen Hospitalbesuche hat er seine Leidenschaft für die Medizin entdeckt und arbeitet nun als Assistenzarzt.
Der kleine Kevin hat sich zu einem wirklich niedlichen Fratz gemausert. Bärbel ist allerdings empört, daß Mai Tai ihn den ganzen Tag nur in Windeln herumlaufen lässt. Das arme Kind könnte sich doch erkälten! Aber Hauptsache, es trägt Markenturnschuhe! Darüber kann sie nur den Kopf schütteln.
Merkwürdig, dabei hatten Nkosi und Wiebke doch so gut aufgepasst! Nachdem der erste Schock verklungen ist, freut sich Wiebke jedoch über die unverhoffte Schwangerschaft. Nur, wie bringt sie es dem werdenden Vater bei? Der sich schon beim geringsten Anzeichen einer festeren Bindung sofort in seine Jogginghosen wirft und über die Hügel von Sunset Valley davonrennt.
Eine weitere Sorge plagt die junge Frau – sie passt in keine von ihren Klamotten mehr hinein und musste sich schon ein notdürftiges Gewand aus schmutzigen Bettlaken zusammenbinden. Nun schaut sie aus wie eine Bewohnerin des antiken Pompeji, kurz nachdem der Vesuv Asche spuckte.
Schließlich fasst sie sich doch ein Herz, ihr Zustand lässt sich ja nicht mal mehr mit der Ausrede „Zuviel Geleebrote gefuttert“ vertuschen.
Nkosis Gesichtszüge gefrieren, als seine Freundin ihm die Nachricht vom nahenden Kinderglück überbringt. Als sich die Schockstarre auch nach 10 Minuten noch nicht gelegt hat, beginnt Wiebke sich dann doch Sorgen zu machen. Sind etwa seine Synapsen durchgeschmort?