Kurze Anmerkung zu den Lupenbildern: es gibt diesmal keine, die sich von den eigentlichen Bildern unterscheiden, sie sind nur für die Stimmungs- und Detailfreunde unter uns gedacht.
Und jetzt wünsche ich euch viel Spass beim Lesen!
Am nächsten Morgen verließen wir Caer Mornas mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne.
Trotz der frühen Stunde waren viele Bewohner der Stadt auf den Beinen, um uns zu verabschieden und uns Glück und Erfolg zu wünschen.
Als wir die großen Tore hinter uns gelassen hatten, zügelte Artair sein Pferd und nickte Mártainn zu.
„Sobald es mir möglich ist, folge ich euch auf den Ritualplatz", sagte er zu ihm.
Mártainn hob stumm die Hand und gab seinem Pferd die Sporen.
Die Druiden aus Caer Mornas und der näheren Umgebung, die sich entschlossen hatten, sich ihm anzuschließen, folgten ihm Richtung Süden, und den Abschluss bildeten ein gutes Dutzend Männer der Wache.
Artair sah ihnen mit gerunzelter Stirn nach, dann schüttelte er den Kopf, als wolle er ein ungutes Gefühl vertreiben, und wandte sein Pferd gen Norden.
Wir kamen nur langsam voran, weil wir nicht den direkten Weg nach Caer Umran einschlugen, sondern alle umliegenden Siedlungen nacheinander aufsuchten, wo sich uns die von Braghan zwei Tage zuvor alarmierten Kämpfer anschlossen.
Unsere Zahl nahm rapide zu, und die wenigsten der Männer und Frauen waren beritten, was unsere Geschwindigkeit weiter verringerte.
Ich ritt meist mit Brayan, denn Artair war in sich gekehrt, verschlossen und wortkarg; und ich wusste aus Erfahrung, dass er in dieser Stimmung am liebsten allein war.
Dennoch konnte ich häufig seine Blicke spüren; ungewöhnlich oft sah er mit ausdrucksloser Miene zu uns herüber und beobachtete Brayan und mich.
Unsere Reise verlief zunächst ruhig und ereignislos, es herrschte eine lockere, wenn auch gespannte und erwartungsvolle Stimmung. Lachen und munteres Geplauder lagen in der Luft.
Aber je weiter wir nach Norden vordrangen, umso stiller wurden die Männer.
Der Himmel verfinsterte sich zusehends, es wurde kälter und ein seltsames Gefühl von Schwermut legte sich über uns.
In der dritten Nacht verdoppelte Artair die Wachen, und als wir am Morgen des vierten Tages mit dem Sonnenaufgang aufbrechen wollten, mussten wir feststellen, dass wir in der Ferne die Berge am Horizont nicht mehr erkennen konnten.
Sie lagen in einer schwarzen Finsternis, die wir nicht mit den Augen durchdringen konnten und die alles verschleierte.
„Wir werden heute schneller marschieren", sagte Artair, den Blick grimmig auf den unheimlichen Anblick geheftet.
„Wenn wir rasch genug vorankommen, können wir gegen Abend das Heerlager erreichen."
Jede Unterhaltung war verstummt, und wir hasteten voran.
Nur kurz unterbrachen wir unseren Marsch, um ein rasches Mahl zur Mittagsstunde einzunehmen, dann eilten wir weiter.
Als mit der einsetzenden Dämmerung die Palisaden des Heerlagers vor unseren Augen auftauchten, atmeten alle erleichtert auf.
Braghan empfing uns am Tor, und er schien froh zu sein, uns zu sehen.
Rasch fuhr er Braigh durchs Haar und grinste ihn an, dann trat er zu uns.
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Artair maß mit einem abschätzenden Blick die Anzahl der Männer und Frauen, die Braghan im Heerlager versammelt hatte, und nickte ihm anerkennend zu.
„Gute Arbeit, Braghan", sagte er und saß ab.
„Eure Zelte sind vorbereitet", sagte Braghan.
„Meine Männer werden euch hinführen."
Artair drückte Braigh die Zügel seines Hengstes in die Hand.
„Kümmere dich bitte um Nachtwind", sagte er.
„Pass auf, dass er gut versorgt ist, und bring mein Gepäck in mein Zelt. Ich muss mit deinem Vater reden."
Überrascht sah Braghan auf, schloss sich dann aber Artair an, und die beiden verschwanden in dem großen Zelt, das für die Beratungen verwendet wurde.
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Stirnrunzelnd sah ich den beiden nach.
Brayan trat neben mich.
„Es wäre wirklich hilfreich, wenn Artair mal die Zähne auseinanderkriegen würde", sagte er munter und grinste mich an.
Ich rammte ihm den Ellbogen in die Rippen, und er lachte.
„Ich kann Artairs Gepäck mitnehmen", sagte ich zu Braigh, der sich mit großen Augen umsah.
„Dann kümmere ich mich um Silberstern", erwiderte Braigh schnell und nahm mir die Zügel aus der Hand.
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Ich wuschelte durch sein Haar.
„Danke", sagte ich, und strich noch einmal rasch über Silbersterns Nüstern.
„Wo ist Feuersturm?", fragte Braigh eifrig, an Brayan gewandt.
„Isabella nimmt ihn mit", sagte Brayan und zeigte auf die junge Frau, die außer ihrem eigenen Wallach auch noch Brayans Hengst am Zügel hielt.
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„Drei Pferde reichen doch auch, oder?", sagte ich zu Braigh und zwinkerte ihm zu.
„Findest du später das Knappenzelt?"
Braigh sah mich empört an und nickte, und ich lachte.
Voller Stolz marschierte er davon, in jeder Hand ein Paar Zügel, und sein alter, sanftmütiger Wallach trottete müde und ergeben hinter ihm her.
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Er schloss sich den anderen Kämpfern an, die ihre Tiere in Richtung der behelfsmäßigen Unterkünfte für die Pferde führten, und wir folgten den Männern, die uns zu unseren Zelten führen sollten.
Ich suchte mit den Augen nach Gowan, und als ich ihn entdeckt hatte, winkte ich ihn herbei.
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„Kommst Du zurecht?", fragte ich ihn, und Gowan rollte die Augen.
„Natürlich!", erwiderte er.
„Das ist doch nicht mein erstes Heerlager."
„Ich bin deine Schutzherrin. Ich muss das fragen", sagte ich grinsend, und er knuffte mich in die Seite, bevor er sich seinen Freunden anschloss und in einem der Zelte verschwand.
Als wir das Zelt erreicht hatten, das Artair, Brayan und ich uns teilten, ließ sich Brayan mit einem lauten Stöhnen auf eine der Pritschen fallen und streckte die Beine aus.
„Ich werde alt", jammerte er.
Ich ergriff eines der Kissen auf meiner Pritsche und warf es ihm ins Gesicht.
„Humbug", sagte ich trocken. „Du bist nur faul."
Er zog sich das Kissen vom Gesicht und warf mir einen herzerweichenden Blick zu.
„Vergiss es", ließ ich ihn wissen.
„Wenn Du glaubst, dass ich deine Sachen auch auspacke, bist Du schief gewickelt."
Brayan lachte, sprang von seinem Lager und küsste mich rasch auf die Nasenspitze.
„War einen Versuch wert, Prinzesschen", grinste er.
Ich stieß ihn gegen die Schulter.
„Nenn mich nicht so!", sagte ich streng, aber Brayan lachte nur.
Plötzlich schallten laute Rufe durch das Lager, und Brayan und ich traten vor das Zelt.
Überrascht sahen wir, dass sich ein Teil der Männer der Wache, die mit Braghan gekommen waren, offenbar zum Aufbruch bereit machten.
„Was soll denn das nun wieder bedeuten?", fragte Brayan und runzelte die Stirn.
„Ich habe keine Ahnung", erwiderte ich ratlos.
Eine knappe Stunde später verließen die Männer, geführt von Braghan, das Lager.
Kaum dass sie das Tor hinter sich hatten, wurden sie auch schon von der undurchdringlichen Dunkelheit verschluckt.
Artair war noch nicht wieder aufgetaucht, und ich durchstreifte das Lager auf der Suche nach ihm.
Schließlich sah ich ihn auf einem der kleinen Wachtürme aus Holz stehen, die das Tor flankierten.
Rasch kletterte ich hinauf und trat leise zu ihm.
Er starrte in die Dunkelheit; er schien Braghan und seine Männer in dieser wabernden Finsternis zu suchen, die noch dunkler war als die Nacht ringsum.
„Warum hat Braghan das Lager verlassen?", fragte ich.
„In der Dunkelheit?"
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Artair rührte sich nicht und starrte weiterhin stumm in die Ferne. Er antwortete nicht, doch dann schüttelte er den Kopf.
„Später", sagte er knapp.
„Ist mit Dir alles in Ordnung?", fragte ich vorsichtig, und Artair nickte.
„Und mit dir?", fragte er zurück, drehte den Kopf und sah mich zum ersten Mal an, seit ich den Turm betreten hatte.
„Mit mir?", erwiderte ich überrascht.
„Natürlich ist mit mir alles in Ordnung."
Eine Weile herrschte Schweigen, und ich sah ihn ratlos an.
„Kann ich Dich etwas fragen, Neiyra?", sagte Artair schließlich.
Etwas am Klang seiner Stimme ließ mich aufhorchen.
Ich zögerte einen Moment.
„Natürlich", sagte ich dann und versuchte, meiner Stimme einen munteren Ton zu geben.
Er schwieg erneut, doch dann fuhr er sich mit der Hand über die Stirn und seufzte.
„Es ist nicht Brayan, dem du dich anvertraust, nicht wahr?", sagte er leise.
„Es ist dieser Druide, mit dem Du Dich nachts in Deinen Träumen triffst."
Ich sah ihm in die Augen, dann nickte ich wortlos.
Artair holte tief Atem.
„Neiyra…", sagt er dann zögernd.
„Es ist nicht so, dass ich -"
Er unterbrach sich plötzlich, verschränkte die Arme, senkte den Kopf und starrte auf seine Stiefelspitzen.
„Nein, das ist nicht wahr", fuhr er dann stockend fort.
„Ich
bin vermutlich eifersüchtig. Oder irgendetwas in der Art.
Und ich bin bestimmt nicht stolz darauf. Ich bemühe mich, es nicht zu sein.
Aber bitte, glaube mir, dass das, was ich Dir jetzt sage, nichts damit zu tun hat."
Ernst sah er mich an.
„Du öffnest Dich doch sonst nicht so leicht einem Fremden. Und noch viel länger dauert es, bis Du jemandem vertraust.
Du kennst diesen Mann überhaupt nicht, Du kennst nicht mal seinen Namen, und wir wissen nichts über seine Absichten."
„Er hilft uns", entgegnete ich.
„Er hilft
Dir. Damit Du dieses Ritual unbeschadet überstehst."
„Ja, das stimmt", sagte Artair ruhig.
„Du hast nicht mit ihm gesprochen."
„Nein, das habe ich nicht."
„Warum vertraust Du dann nicht meinem Urteil? Meiner Intuition? Du weißt, dass sie mich immer vor Gefahren gewarnt hat."
Artair sah mich lange und forschend an.
„Ich wünsche mir nur, dass Du vorsichtig bist, mein Herz", sagte er dann leise.
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