Lebwohl...
Gedicht an ein sterbendes Kind
Dort liegst du.
In den Weichen Laken.
Wie verloren wirkt dein kleiner Körper in den Falten des Stoffes...
Deine Brust hebt und sengt sich langsam, dein Atem ist leise und schwerfällig.
Bald wir dein winziges Herzchen aufhören zu schlagen...
Dein Kopf liegt in meinem Schoß.
Deine Haut ist weich, ebenso wie dein Haar, das über meine Hände fließt.
Noch wenige Tage zuvor spieltest du im Garten, du tanztest zwischen den Bäumen, dein Kleid flog und der Wind strich durch dein Haar.
Deine glockenhelle Stimme erreichte meine Ohren.
Du hast eine leise Melodie gesummt, und es war das Schönste was
ich jemals hörte.
Und du kamst zu mir, schlangst deine Ärmchen um meinen Hals.
Ich konnte dich riechen.
Dein Geruch war der von Gras und Erde, und ein Hauch von Gänseblümchen, begleitet von Honig und Jasmin.
Es war das Schönste was ich jemals roch.
Du lachtest.
Dein Erdmeermund verzog sich zu einem Lächeln.
Deine weißen Zähnchen glänzten in der Sonne,
und wir spuckten Kirschkerne über den Rasen, du durch deine Zahnlücke, die dich noch sympathischer machte.
Es war das Schönste, was ich je sah, dein Lächeln, deine Freude.
Du füttertest mich mit Früchten.
Mit roten und mit schwarzen Kirschen, mit wilden Erdbeeren die du zwischen den Farnen fandest.
Es war das Schönste, was ich jemals schmeckte, selbst der Käfer, den du mir aus Spaß in den Mund krabbeln ließt.
Deine Haut auf meiner, so warm, so zart.
Deine Hände in meinem Haar, um meinen Hals.
Und deine Lippen, wie du meine Wange berührtest und sie küsstest,
war das schönste, was ich je spürte.
Und nun...
Wie lang scheint es her, dass wir glücklich waren.
Der Tod klopft an die Tür.
Hat seinen Besuch schon lange angekündigt.
Wir wussten, das er kommen würde, du und ich.
Wir werden ihm die Tür nicht öffnen, aber er kommt dennoch hinein.
Zwängt sich durch Spalten und Ritzen, kriecht durch Mäuse- und Wurmlöcher.
Schleicht durch die Räume, er sucht dich, und er wird dich finden.
Dein Atem wird lauter, schneller, Schweiß läuft an deinem Körper herab und durchnässt dein Hemd.
Du zitterst, du wimmerst, du schreist.
Ich kann dir nicht helfen.
Nicht mehr.
Du bist verloren.
Du musst mich verlassen.
Blut tropft aus deinem Mund, fließt über deine vollen Lippen.
Du bist verloren.
Du streckst dich nach mir aus, versuchst dich festzuklammern, willst dem Tod nicht nachgeben, der an deiner Seele reißt.
Aber ich kann dich nicht halten, du bist verloren.
Ich weiß, du willst nicht gehen.
Aber du...
...bist verloren...
Du hörst auf dich zu wehren. Wirst ruhiger.
Lässt dich von ihm an die Hand nehmen, vom Tod.
Er hilft dir auf und hebt dich auf seine starken Arme.
Du bist verloren.
Du schaust mich an.
Du weinst.
Du wirst gehen.
Denn du bist verloren.
Aber das ist nicht schlimm, nicht mehr.
Der Tod erlöst dich von den Schmerzen, von deinem Leid.
Vom Leben.
Du musst mich verlassen, doch er wird auch zu mir kommen und mich holen, wenn meine Zeit gekommen ist.
Du verstehst.
Langsam hebt sich deine kleine Hand und winkt zum Abschied.
Ich nicke.
Du musst gehen, du bist verloren.
Lebwohl.
Die Zeit mit dir war die schönste.
Lebwohl.
Jetzt bist du verloren, und mit dir unsere Zeit.
Lebwohl.
Es wird eine neue Zeit kommen.
Wir werden vereint sein.
Und verloren.
Lebwohl, Lebwohl.
das war das erste deutsche gedicht, das ich geschrieben habe, so im frühling letzten jahres.
ich war gerade nicht so gut drauf