Und noch was

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House House entstand Mitte der 80er Jahre in den USA aus dem kommerziellen Overkill des Discosounds heraus: wie sehr den Leuten damals der bereits ca. zehn Jahre in den Clubs vorherrschende Sound zum Hals heraus hing, wird wohl am deutlichsten, wenn man sich an den Höhepunkt der "Disco Sucks"- Kampagne zurückerinnert, nämlich die Aufforderung an die Besucher eines Baseball-Spiels im Komishi Park in Chicago, all ihre Discoplatten, die sie nicht mehr hören wollten, mitzubringen, um sie dann nach dem Spiel in einem riesigen Feuer zu verbrennen. Disco brach aufgrund der üblichen Begleiterscheinungen der Kommerzialisierung einer Szene zusammen: die steigende Anzahl schlechter Tracks, die Geldgierigkeit der Produzenten großer Plattenlabels und die sich lösende Underground-Szene, die mit der Verwässerung ihrer Ideen immer unzufriedener wurde. Und eben diese war es auch, die sich der Entwicklung eines neuen Stil aus Disco heraus mit Hilfe der neuen elektronischen Geräte zuwandte, der deeper, ursprünglicher und mehr auf Tanzbarkeit ausgerichtet sein sollte. Die neuen Platten führten das bereits gegen Ende der Discoära immer häufiger auftretende Phänomen, die 12-Inch-Versionen mit längeren Percussionbreaks zu versehen, um den DJs das Mixen der Platten zu erleichtern, weiter, und richteten so den neuen Stil immer mehr auf den Dancefloor aus.
Zu diesem Zeitpunkt gab es den Begriff "House" allerdings noch gar nicht, er wurde erst durch das Warehouse in Chicago, welches 1977 seine Pforten öffnete und den zentralen Entwicklungsort darstellt, geprägt. Der DJ, der den Sound vor Ort über Jahre hinweg populär machte, war Frankie Knuckles. Ursprünglich sollte der New Yorker Larry Levan dort auflegen, der jedoch seine Heimatstadt nicht verlassen wollte und dann in der Paradise Garage in New York an den Plattentellern stand. Genauso, wie der Sound in Chicago aufgrund des Clubs "House" genannt wurde, entstand in New York der Begriff "Garage". Während Garage sich eher aus Soul heraus entwickelt hat und somit sehr gesangsorientiert ist, ist House durch seinen treibenden Rhythmus meist schneller und auch energiegeladener. Frankie Knuckles kommentierte dies so: "All of the records coming out of New York had been either mid or down tempo, and the kids in Chicago wouldn't do that all night long, they needed more energy".
In House fanden sich außerdem vereinzelt Spuren von Euro-Electronic-Beats wie sie beispielsweise von Kraftwerk produziert wurden, sowie die typischen Klavier-Loops. Des weiteren charakteristisch für die meisten Housestücke ist der 4/4-Takt, Snare-Drums bzw. HandClaps auf 2 und 4 und die Geschwindigkeit von ca. 120 bpm, was ungefähr der Herzfrequenz der Tänzer entspricht. Auch wenn der Sound nicht vollkommen identisch war, gemeinsam hatten die beiden Clubs jedoch, dass hier die Musik im Vordergrund stand, während es sonst zur damaligen Zeit üblich war, nach Herkunft und sexueller Vorliebe getrennt zu feiern, und somit die vorherrschenden Barrieren und Vorurteile überwunden wurden.
Es ist immer noch strittig, welches die erste House-Platte war, aber sie wurde mit ziemlicher Sicherheit von Jessie Saunders und auf dem Mitchball-Label produziert.
Die nächste einschneidende Entwicklung House betreffend ging ca. 1985 von statten, als, parallel zu der eher im Stillen vorgehenden Entstehung von Techno in Detroit, in Chicago eine neue Minimalversion von House entstand, die Acid House hieß, sich voll und ganz auf den Gebrauch der Roland 303 Bassline und des Roland 808 Drumcomputer stützte und mit den Sounds experimentierte, die man damit produzieren konnte. Acid House gelangte 1987 nach England, und wurde dort zur größten Jugendbewegung seit Punkrock. Die englischen Produzenten machten ihre eigenen Acid House Tracks und die Szene boomte. Mit dem Summer of Love 1988 erreichte die Entwicklung ihren Höhepunkt, dessen Hauptantriebskraft eine Handvoll DJs wie beispielsweise Paul Oakenfold oder Danny Rampling waren, die den Sommer zuvor auf Ibiza verbracht hatten und nun den Sound der Baleareninsel mit nach England brachten. "We Call It Aciiieeed" von D-Mob schaffte es auf Platz Eins der Charts, und war somit, genau wie der gelbe Smiley, der sozusagen als Maskottchen der gesamten Bewegung fungierte, allgegenwärtig. Die englische Klatschpresse nahm sich ebenfalls der neuen Jugendbewegung an, und verbreitete allerhand Schauermärchen, nicht nur die Musik, sondern vor allem auch die mit der Szene verbundenen Drogen betreffend.
Auch in Deutschland erlebte Acid House einen regelrechten Hype und wurde mit Interpreten wie dem damals 13jährigen Kid Paul sogar in der Bravo breitgetreten. Obwohl Acid House nach wie vor im Underground weiterexistierte, war der richtige Acid-Boom aber wieder genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war: schon 1989 hatten alle genug davon und House allgemein wurde vorerst von Techno verdrängt. Vom Überbegriff für die Musik, die zur damaligen Zeit in den Clubs lief, wurde House zu einem Subgenre von Techno, welches sich inzwischen zum Inbegriff für jegliche Form von elektronischer Musik etabliert hatte. Natürlich existierten kleine Subgenres von House auch weiterhin, ein Beispiel dafür ist Progressive House, das Anfang der 90er entstand, und, zumindest im damaligen Verständnis dieser Bezeichnung, eine Mischung aus Techno und House darstellte. Heute versteht man darunter meist House-Tracks, die tranceartige Elemente beinhalten. Ebenfalls Progressive House gemeint ist mit der Bezeichnung "Handbag", die dadurch entstanden ist, dass die Frauen beim Tanzen ihre Handtaschen neben sich auf die Tanzfläche stellten.
Wie bereits erwähnt, herrschte in den darauf folgenden Jahren hauptsächlich Techno in der Clubszene vor, House konnte sich erst ca. 1995/96 mit einem großen Revival zurückmelden, das kommerziell mit dem Charterfolg der Bucketheads und ihrem Track "The Bomb" eingeläutet wurde und logische Konsequenz des in der Clubszene wieder stark aufkeimenden Discohouse war. In der folgenden Zeit gab es eine Vielzahl an Re-Releases alter Songs der Discoära aus den Jahren 1977-82. Der Erfolg des Discorevivals lässt sich in Sehnsucht nach Wärme, welche die schnelleren und härteren Beats des Techno nicht stillen konnte, des upliftenden Charakters der House-Tracks und der Erinnerungseffekte an alte Songs, die beim Hören der eigentlich "neuen" Stücke auftraten, erklären.
House entwickelte sich natürlich auch in den folgenden Jahren noch weiter und so entstanden eine Vielzahl interessanter Kreuzungen von House mit Elementen anderer Genres.
1997 beispielsweise entstand Speedgarage, eine Bezeichnung, die hauptsächlich von den britischen Medien geprägt wurde. In der Szene selbst verwendete man eher den Begriff UK-Garage. Mit Speed hatte diese Form von Garage nämlich nicht viel zu tun: sie war mit 130 bpm nur ungefähr 10 bpm schneller als die Ursprungsform selbst. Hauptcharakteristika dieser Stilrichtung waren tiefe Basslines im Reggae-Stil, was nicht zuletzt damit zu tun hatte, dass viele Producer aus der Jungle/Drum & Bass-Szene kamen, und mit Timestretching verzerrte Vocals; außerdem konnte man darin Elemente verschiedenster Musikrichtungen wie beispielsweise Jazz, Latin oder Jungle finden. Speedgarage ließe sich somit also als eine Mischung von Garage, Drum & Bass sowie weiteren, kleineren Einflüssen bezeichnen. Die erste Speedgarage-Compilation mit dem Namen "Underground Frequencies Volume 1" erschien schließlich am 23. Juni 1997 in England, auf der Double 99, Rosie Gaines, Bobby D'Ambrosio u.a. vertreten waren. Die Macher der Compilation hatten sich zum Ziel gesetzt, anhand der CD den neuen UK-Garage-Sound einer breiteren Masse nahezubringen, und ihr darüber hinaus zu verdeutlichen, worum es ihnen mit dieser Form von Musik eigentlich genau geht, da sich zu dieser Zeit die Szene über die Grenzen der Trendmetropole London hinaus beispielsweise nach Leeds oder Birmingham ausdehnte.
Ungefähr zur gleichen Zeit entstand Hardhouse, eine 150 bpm schnelle Mischung aus überwiegend trance- und gabberartigen Elementen und ein wenig House. Die Stilrichtung liebäugelte mit der Rave Kultur und der Happy Hardcore-Zeit der frühen Neunziger. Viele der DJs, die Hardhouse auflegten, kamen ursprünglich aus der Trance-Szene und suchten nach einem Weg, sich weiterzuentwickeln. Wie so viele neue Stile und Trends kam auch Hardhouse aus England, genauso wie die wohl bekanntesten DJs dieses harten, schnellen und äußerst Club-orientierten Sounds, Lisa Lashes und Anne Savage. Eine Hardhouse-Compilation, die auf der Insel sehr beliebt war, war "Hard House Euphoria" sowie die "Hard NRG" Alben des Labels Ministry of Sound.
Noch aktuellere Trends House betreffend sind beispielsweise Latin House, welches besonders 2000 boomte und sich überwiegend durch die unterschiedlichsten Einsätze von Drums, die sonst von Combo Bands verwendet wurden, und Samba-Einflüssen auszeichnete, oder im Gegensatz dazu TechHouse, welches, wie der Name schon vermuten lässt, eine Mischung aus Techno und House ist und eher minimalistisch ausfällt