Feuer im Herzen - Love in Paris
Achtung!
Jetzt kommt wirklich ein extra-laaanger Teil - mit seeehr viel Text.
Ich hoffe, es wird euch nicht zu viel und vor allem nicht zu langweilig...
FEUER IM HERZEN - LOVE IN PARIS
…wir sind in Paris, Mutter! Ist diese Stadt nicht einfach sensationell schön?“
Voller Enthusiasmus drückte Gregory – sprühend voller Leben – seine Mutter an sich.
„Ja, du hast recht, Greg! Paris ist wirklich ein wunderschönes Stück Erde. Vor allem dieser Park hier ist traumhaft – so romantisch. Komm, mein Sohn! Lass uns ein bisschen hier herumflanieren und die Aussicht genießen!“ lächelte Nelly.
Etwa 2 Stunden lang spazierten die beiden durch das Gelände, das jetzt im Sommer seine volle Blütenpracht entfaltet hatte und vor lauter Grün nur so strotzte.
Sie besprachen miteinander ihre weitere Reiseroute, erzählten sich dies und das und unterhielten sich – wie immer – köstlich miteinander.
Der Tag neigte sich schön langsam seinem Ende und die Sonne, die blitzend und heiß über dem kleinen See gestanden hatte, war bereits im Untergehen begriffen.
Ihre letzten goldenen Strahlen schickte sie noch über das Gewässer.
Gregory war ein paar Schritte vorausgegangen.
Als er sich wieder umwandte, um den Arm seiner Mutter zu ergreifen, bemerkte er, dass sie gedankenverloren und sehnsüchtig in den Abendhimmel blickend am See stehengeblieben war.
Er ging auf sie zu, doch sie schien ihn immer noch nicht zu bemerken.
„Mutter! Was ist mit dir?“
Er sah die stille Sehnsucht in ihren Augen und fragte sich – wieder einmal, so wie schon unzählige Male zuvor – woher dieser Ausdruck kam.
Die Trauer um den Verlust ihres Ehemannes konnte es nicht sein, denn dieser inständig flehende und gleichzeitig doch seltsam teilnahmslose Blick war Gregory bereits aus seiner Kinderzeit an seiner Mutter vertraut und tauchte von Zeit zu Zeit so plötzlich auf ihrem Antlitz auf, wie er auch wieder daraus verschwand und durch die friedlich-stille Beherrschtheit, mit der sie alle Widrigkeiten erduldete, abgelöst wurde.
Früher hatte Gregory sich nichts dabei gedacht. Seine Mutter besaß ein solch in-sich-ruhendes Wesen, dem Gefühlsausbrüche so fremd waren, dass er immer gemeint hatte, diese leise Wehmut und Melancholie, die manchmal in ihren Augen auftauchte, sei einfach ihre Art, Probleme zu verarbeiten, so wie einen anderen eben ein Zornesanfall oder ein Tränenausbruch überkam, wenn sein Innerstes aufgewühlt wurde.
Er wusste nichts aus der Vergangenheit seiner Mutter, wie sie gelebt hatte, was sie erlebt hatte, bevor sie von Edward Kensington geheiratet wurde.
Er liebte sie, seine Mutter, inständigst, mit jeder Faser seines Herzens, doch immer hatte er sie nur in der Rolle der Mutter erlebt. Der Mutter, die für ihn sorgte, ihn behütete, ihm Trost spendete. Dass sie in erster Linie nicht Mutter sondern Frau war, war ihm in all den Jahren nie zu Bewusstsein gekommen.
Erst jetzt erkannte er, dass dieser Blick in eine – ihm unbekannte – Ferne, dieses zeitweilige, kurze „Losgelöst-Sein“ aus der realen Welt, weder mit ihm, noch mit seinem Bruder, seinem Vater oder sonst jemanden oder etwas aus ihrer gegenwärtigen Existenz zu tun hatte.
Sie trug ein Geheimnis tief in sich verborgen und als sie sich ihm nun wieder zuwandte, wusste er, dass es eine Liebe war, eine Liebe, die stärker war, als alles andere, was ihr Leben ausmachte. Eine Liebe, aus der sie jahrelang die Kraft geschöpft hatte, die sie brauchte, um an der Seite seines Vaters überleben zu können und die ihm, Greg, immer große Bewunderung abverlangt hatte.
Greg begann, seine Mutter ab diesem Zeitpunkt aus anderen Augen zu sehen. Zum einen Teil überkam ihn ein leises Gefühl der Eifersucht, weil er erkannte, dass er nicht – so wie er sein ganzes Leben lang geglaubt hatte – der Einzige war, dem ihre ganze Liebe galt.
Zum anderen Teil wünschte er sich nichts mehr, als dass sich für sie diese Sehnsucht, die in ihren Augen brannte, erfüllen mochte, denn er ahnte, dass ihr gesamtes Lebensglück davon abhing – und er wünschte sich nichts mehr, als seine Mutter endlich einmal vollkommen glücklich zu sehen.
Was konnte, was sollte er, Greg, dazu tun? Wahrscheinlich nichts, denn so wie er seine Mutter kannte, würde sie sich auch ihm niemals mitteilen. Sie hatte ihre Seele noch nie vor irgend jemandem ausgebreitet, und das würde sie auch vor ihm nicht tun.
Es schmerzte ihn nur, dass er ihr nicht helfen konnte und noch mehr schmerzte ihn der Gedanke, dass es diesen Menschen, dem ihr ganzes Sein entgegenstrebte vielleicht gar nicht mehr gab oder sie ihn nicht mehr finden wurde und sie einst, an ihrem Totenbett auch noch mit diesem sehnsuchtsvollen Blick daliegen würde.
Nelly fröstelte. Mittlerweile war es schon fast dunkel geworden. Sie war wieder in die Wirklichkeit zurückgekehrt.
Sie lächelte ihrem Sohn zu.
„Lass uns gehen, Greg! Langsam wird es ziemlich kühl und wir wollen ja schließlich auch nicht unseren gesamten Aufenthalt in Paris in diesem Park verbringen.“
Greg folgte ihr.
Sie ließen sich wieder in die Stadt zurückbringen und verbrachten den restlichen Abend mit einer kleinen Besichtigungstour durch das „Montmartre“ und wollten sich gerade in einem gemütlichen Straßenbistro niederlassen, als ein junges Mädchen auf sie zutrat und sich an Nelly wandte.
„Entschuldigen Sie bitte, Madam! Sprechen Sie englisch?“
Erstaunt, dass jemand sie in diesem Land in ihrer eigenen Sprache anredete, drehte sich Nelly in die Richtung um, aus der die sehr jung klingende, weibliche Stimme kam.
Nelly und Greg blickten der jungen Dame, die ihnen gegenüber stand, neugierig entgegen.
„Ja, mein Kind. Wir sind aus Amerika. Können wir Ihnen helfen?“ beantwortete Nelly freundlich die etwas schüchtern gestellte Frage des Mädchens.
„Ich hoffe es! Dieses Viertel hier ist ja so unübersichtlich mit diesen vielen engen, verwinkelten Gässchen, dass ich mich schlicht und einfach verlaufen habe. Glauben Sie mir, es ist normalerweise nicht meine Art, Fremde anzusprechen, aber Sie machten einen so netten Eindruck auf mich… Vielleicht können Sie mir mit einer Auskunft behilflich sein. Ich suche nämlich die Rue de la Pové.“
Nelly war das hübsche Mädchen auf Anhieb sympathisch. Sie wirkte so offen und liebenswürdig.
„Ich bedaure, meine Liebe. Mein Orientierungssinn ist nicht der Beste, da verlasse ich mich ganz auf meinen Herrn Sohn. Gregory, ist dir diese Straße ein Begriff?“
Gregory hatte bis dahin kein Wort gesprochen, doch Nelly war seine plötzliche Nervosität nicht entgangen – auch nicht, dass er die junge Dame fasziniert von der Seite angestarrt hatte.
Nun blickten ihm zwei weibliche Augenpaare fragend entgegen und Greg musste sich erst einmal ordentlich räuspern, bevor er überhaupt ein Wort hervorbrachte.
Leider fiel seine Antwort ziemlich krächzend und stotterhaft aus, so dass Nelly sich bemühen musste, das Lachen zurückzuhalten.
Ihr Sohn, der intelligente, nichts zu erschütternde „Weltreisende“ verwandelte sich angesichts der aquamarinblauen Augen dieser jungen Frau in einen schüchternen, gehemmten Knaben!
„Äähm, ja…, doch…! Äh, ich weiß, wo… ähm.., ja…, wo die besagte Straße ist. M…meine Mutter und ich …ähm… werden Sie gerne ddort hin begleiten“, stammelte Gregory.
Das Mädchen atmete erleichtert auf.
„Das ist aber wirklich nett von Ihnen! Wie kann ich Ihnen danken?“
An dieser Stelle schaltete sich Nelly wieder ein. Sie hatte gespürt, dass ihr Sohn Gefallen an der jungen Dame gefunden hatte und wollte es in die Wege leiten, dass die beiden sich etwas näher kennenlernten.
„Indem Sie uns zuvor noch bei einer Tasse Café au lait hier in diesem Bistro Gesellschaft leisten und mit uns ein wenig plaudern!“
Wenige Minuten später saßen die drei zusammen an einem kleinen Tischchen und hatten ihre Getränke serviert bekommen.
„Übrigens, ich bin Nelly Kensington und dies ist mein ältester Sohn Gregory“, lächelte Nelly dem Mädchen zu.
„Es freut mich sehr, dass ich Ihre Bekanntschaft machte. Mein Name ist Leora Vaughn.“
Nelly streifte ihren Sohn mit einem Blick. Er saß wortlos und steif da und sah nur immer wieder verstohlen zu Leora hinüber, während die beiden Frauen miteinander schwatzten.
Nelly seufzte innerlich auf. Greg musste sich ja wirklich Hals über Kopf in dieses Mädchen verliebt haben! So schüchtern hatte sie ihren Sohn bisher noch nie erlebt.
Nun ja, dann musste sie seinem Glück wohl ein wenig nachhelfen, damit sich die beiden jungen Leute nach diesem Abend nicht gleich wieder aus den Augen verloren.
Parallel zu ihrem Gedankengang hatte sie inzwischen Leora’s Erzählungen aufmerksam zugehört und einiges über das Mädchen erfahren, denn dieses war sehr redselig - doch auf sehr erfrischende und unaufdringliche Weise.
Sie kam aus London, wo sie mit ihrem Vater und einer jüngeren Schwester lebte und besuchte den Sommer über Verwandte in Paris, um die französische Sprache zu erlernen, die ihr aber immer noch einige Probleme bereitete. Eigentlich hatte sie vorgehabt, bis zum September hier zu bleiben, doch war zuhause in London plötzlich die Gouvernante ihrer 13-jährigen Schwester erkrankt und da sich auf die Schnelle kein Ersatz finden ließ, hatte ihr Vater Leora zurück nach Hause beordert, damit sie ein Auge auf das Kind behielt, während er selbst seinem Beruf nachgehen musste. Schon morgen Mittag sollte Leora die Heimreise antreten.
Nelly beobachtete insgeheim die beiden jungen Leute an ihrer Seite, die sich immer wieder – wenn sie glaubten, der andere würde es nicht bemerken – schmachtende Blicke zuwarfen und traf insgeheim einen Entschluss.
„Das ist aber schade, dass wir uns hier in Paris nicht mehr treffen werden, aber Gregory und ich werden nächste Woche bereits nach London weiterreisen – so sieht es unsere Reiseroute vor. Vielleicht bestünde dort die Möglichkeit, dass wir drei wieder auf ein gemeinsames Plauderstündchen zusammenkommen könnten,“ schlug sie vor.
Gregory sah seine Mutter fragend an, denn eigentlich hatten sie noch 1 ½ Wochen in Paris bleiben wollen, bevor sie nach Rom weiterreisten, doch das Glitzern in seinen Augen verriet ihr alles, genau wie Leora’s freudig-strahlendes Lächeln.
„Wirklich? Das finde ich aber nett! Ich schreibe Ihnen meine Londoner Adresse auf und werde meinem Vater Bescheid geben. Er ist ein sehr gastfreundlicher Mann und wird sich sicherlich sehr über den Besuch von solch lieben Menschen freuen, die seiner Tochter in einer kleinen Notsituation in der Fremde Beistand geleistet haben. Sie sind in unserem Hause jederzeit herzlich willkommen!“
Leora sagte dies so unverblümt und innig, dass Nelly das Herz aufging und sie das junge Mädchen am liebsten auf der Stelle in ihre Arme geschlossen hätte.
Nach einer weiteren gemütlichen Stunde im Bistro, während der auch Gregory nach und nach auftaute und sich am Gespräch beteiligte, brach man auf in Richtung „Rue de la Pové“. Vor dem Haus von Leora’s Verwandten nahmen die drei, die mittlerweile schon fast vertraut miteinander waren, vorerst Abschied.
„Also dann, bis zur nächsten Woche in London! Danke für die Begleitung!“ Leora lächelte noch einmal ihr feines Lächeln und winkte ihnen von der Haustür aus nach.
Schweigend spazierten Mutter und Sohn durch die nächtlichen Straßen von Paris zurück in ihr Hotel.
Nelly lächelte in sich hinein, froh darüber, dass sie die Chance ergriffen hatte, das Glück ihres Sohnes in die richtigen Bahnen zu leiten.
Gregorys Innerstes jedoch war nicht so in sich ruhend wie sonst. Seine Gedanken und Gefühle waren aufgewühlt. Er fühlte sich freudenerregt und verunsichert zugleich. Leora war die Frau seiner Träume, er konnte sich nicht vorstellen, dass es auf der Welt ein schöneres, lieblicheres und sanfteres Wesen gab als sie.
In dieser Nacht konnte er lange nicht einschlafen.
Tausenderlei Hirngespinste schossen ihm durch den Kopf.
Erst hatte ihn die Erkenntnis über seine Mutter und deren verborgene Liebe durcheinander gebracht und dann war ihm dieses Mädchen begegnet, das so anders war, als die zugeknöpften, reservierten jungen Ladies, die er aus seiner Heimatstadt kannte.
So zutraulich, so herzlich, so aufgeschlossen… - so ein Geschöpf war ihm bisher noch nie begegnet und diese Begegnung würde er nie vergessen, auch wenn er 100 Jahre alt werden sollte.
Doch bald schon würde er sie wieder sehen, sie in ihrer gewohnten Umgebung erleben. Er würde sehen, ob die Gefühle, die sie in ihm erweckt hatte, Bestand hatten. Gleichzeitig wusste er jedoch, dass er niemals von ihr lassen konnte, egal was geschah.
Die Liebe hatte ihn völlig unerwartet wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen – und das war etwas, das ihn in seiner gesamten Persönlichkeit erschütterte.